Bedeutung der Spiegel-Affäre für die Pressefreiheit

Pressefreiheit ist nicht selbstverständlich – Welche Rolle spielt hier die Spiegel-Affäre?

Aloha; In meinem Studium werde ich, wer hätte es bei Kommunikations- und Medienwissenschaften gedacht, immer wieder mit recht spannenden Themen konfrontiert. Natürlich liegt der Aspekt der Spannung auch immer im Auge des geneigten Betrachters, das hält mich aber nicht ab, einiger meiner geistigen Ergüsse mir Euch teilen zu wollen und diese hier auf dem Blog zu veröffentlichen. Das erscheint mir sinnvoller, als dass sie in irgendwelchen Ordnern vergammeln oder in diversen „Online-Verlagsgruppen“ für ein paar Euronen verhökert werden. Hier also eine Arbeit, welche sich mit der Rolle der Spiegel-Affäre in Bezug auf die Pressefreiheit in Deutschland orientiert.

Welche Bedeutung hat die „Spiegel-Affäre“ für die Pressefreiheit in Deutschland?

1. Einleitung

Am 26. Oktober 1962 wurden die Räumlichkeiten des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ im Hamburger Pressehaus, später auch in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn durch die Polizei besetzt und durchsucht. Nachfolgend wurden Conrad Ahlers, später auch Rudolf Augstein und eine Reihe weiterer Redakteure verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Grund für die polizeilichen Maßnahmen war der Verdacht auf „Verrat von Staatsgeheimnissen“, welcher Der Spiegel durch den militärpolitisch kritischen Artikel „Bedingt abwehrbereit“ begangen haben sollte. Der Staat ging also gegen ein journalistisches Nachrichtenmagazin vor und griff damit, in den Augen der westdeutschen Öffentlichkeit, die Pressefreiheit an. Der folgende Gerichtsprozess und die Ausweitung des Vorfalls auf eine politische Affäre sorgten dafür, dass der „Spiegel-Affäre“ bis heute eine nachhaltige Bedeutung in Bezug auf die Pressefreiheit in Deutschland zugestanden wird. Doch ist das Ergebnis der „Spiegel-Affäre“ auch heute noch von solcher Relevanz? Im folgenden Text möchte ich versuchen, diese Frage zu klären und die „Spiegel-Affäre“ verständlich aufzuschlüsseln. Dabei werde ich zunächst den historischen Kontext beleuchten, um später Bezüge zu einem aktuellen Ereignis herzustellen.

2. Die Spiegel-Affäre

2.1 Historischer Hintergrund

Die Ereignisse der „Spiegel-Affäre“ stehen in einem besonderen, zeithistorischen Kontext, welcher allgemein als „Kalter Krieg“ betitelt wird. Von 1947 bis 1989 standen sich die Supermächte USA und Sowjetunion gegenüber und bildeten mit ihren Verbündeten gigantische „Machtblöcke“. Ideologisch standen sich so die Systeme des Kapitalismus und der des Kommunismus gegenüber. Obwohl es im Kalten Krieg zu keinen direkten militärischen Auseinandersetzungen kam, wurden einige Stellvertreterkriege geführt, zudem drohte der bestehende Konflikt immer wieder zu eskalieren und zu einem „heißen“ Krieg zu werden. Eine dieser „heißeren“ Phasen des Kalten Krieges war die Kuba-Krise, welche vom 14. Oktober bis zum 28. Oktober 1962 stattfand. Im Rahmen der Kuba-Krise versuchte die UdSSR Militär sowie atomare Mittelstreckenraketen auf Kuba zu stationieren und Raketenbasen zu errichten. Die USA reagierten mit einer Seeblockade Kubas und forderten den sofortigen Abzug der dort stationierten Truppen und Raketen. Die Lage war extrem brenzlig, so drohte Präsident John F. Kennedy unter anderem mit dem Einsatz von Atomwaffen, um die Stationierung der Raketen auf Kuba zu verhindern. Erstmals wurde einer breiten Öffentlichkeit die potenzielle Gefahr eines Atomkrieges bewusst gemacht.

Dieser Hintergrund ist entscheidend, wenn wir nun einen Bezug zur „Spiegel-Affäre“ herstellen wollen. Das geteilte Deutschland war Teil des direkten „Grenzverlaufs“ des Ost-West-Konflikts, wie der Kalte Krieg ebenfalls bezeichnet wird. Damit war der Kalte Krieg dauerhaft für die Bevölkerung der BRD „spürbar“, immerhin würde Deutschland beim ausbrechen eines „heißen“ Krieges unweigerlich zum Schlachtfeld der ideologischen Auseinandersetzung werden. Die Angst vor einem Krieg, im schlimmsten Falle eines Atomkrieges, war in der BRD immer präsent, weshalb auch die Kuba-Krise für die BRD ein gefährliches Ereignis darstellte. Genau im Rahmen dieser kollektiven Furcht vor einem atomaren Weltkrieg, kam es zur „Spiegel-Affäre“, was bei der Betrachtung dieser Ereignisse immer berücksichtigt werden muss.

2.2 Ablauf der Spiegel-Affäre

Um über die Bedeutung der Spiegel-Affäre urteilen zu können, ist es unabdingbar, auch den Ablauf der Vorgänge zu kennen. Der Spiegel veröffentlichte am 10. Oktober 19621 einen Artikel mit dem Titel „Bedingt abwehrbereit“, welcher sich mit der militärischen Situation in Deutschland und den Resultaten des NATO-Manövers Fallex 62 auseinandersetze. Bei dem Manöver Fallex 62 wurde davon ausgegangen, dass die Sowjetunion einen dritten Weltkrieg mit einem Großangriff auf Westeuropa beginnen würde. Hier wird erneut ersichtlich, wie real die Angst der Menschen vor einem Krieg war. Der Artikel stellte zudem das Konzept des „pre-emptive strike“2 in Frage, also das von Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß vertretende Konzept des atomaren Erstschlags. Besonders der Umfang als auch die visuelle Untermalung des Artikels stechen hervor. Zahlreiche Fotografien, aber auch detaillierte Grafiken bezüglich der Truppenstärke wurden in dem Artikel veröffentlicht. Tatsächlich schlüsselt der Artikel detailliert zahlreiche Informationen bezüglich der Kampfkraft der Bundeswehr auf. Mit der Veröffentlichung des Artikels vermutete die Bundesanwaltschaft bereits am 10. Oktober 1962 Landesverrat, am 11. Oktober erstattet Staatsrechtler und Oberst der Reserve Friedrich August Freiherr von der Heydte Anzeige wegen Landesverrat gegen die Redaktion des Spiegel. Am 23. Oktober wurden die von der Bundesanwaltschaft geforderten Haft- und Durchsuchungsbefehle genehmigt. Am 26. Oktober kam es dann zur Besetzung der Redaktionsräume des Spiegel in Hamburg und der damaligen Landeshauptstadt Bonn. In den folgenden Tagen wurden einige Spiegel-Redakteure festgenommen.

Die Öffentlichkeit reagierte empört auf die polizeilichen Maßnahmen und es kam, insbesondere unter Stundeten und der übrigen Presse, zu Protesten3, Resolutionen, Demonstrationen und Leitartikeln. Die Bevölkerung empfand das Vorgehen gegen den Spiegel als Angriff auf die Pressefreiheit, welche in der BRD einen besonderen Stellenwert besaß, da zum einen die Diktatur der Nationalsozialisten noch nicht weit in der Vergangenheit lag, zum anderen weil in der DDR allgemein keine Pressefreiheit gegeben war. Die Untersuchungen der Räumlichkeiten des Spiegel dauerten bis zum 25. November 1962 an. Ohne die Unterstützung anderer Pressevertreter in Hamburg (Zeit, Stern, Springer-Presse)4, welche dem Spiegel Räumlichkeiten und Ressourcen zur Verfügung stellten, hätte Der Spiegel in diesem Zeitraum nicht mehr erscheinen können.

Die Spiegel-Affäre weitete sich im November schließlich zu einer Regierungskrise aus, als am 19. November 1962 alle fünf FDP-Minister aus Protest gegen Verteidigungsminister Strauß ihren Rücktritt erklären. Strauß war in die Kritik geraten, weil er die Ereignisse der Spiegel-Affäre offenbar bewusst vorangebracht hatte. Strauß trat schließlich am 30. November 1962 zurück, womit die die Regierung Adenauer neu gebildet werden musste.

2.3 Das Spiegel-Urteil

Die Spiegel-Affäre zog zahlreiche Prozesse nach sich; Am 13. Mai 1964 entschied der Bundesgerichtshof, dass keine Beweise vorlägen, die eine Schuld der beteiligten Spiegelredakteure wegen wissentlichem Verrat von Staatsgeheimnissen begründen könnten.5 Ein drittes, unabhängiges Militärgutachten stellte am 23. Dezember 1965 fest, dass der Artikel „Bedingt abwehrbereit“ keine Staatsgeheimnissen enthielt, Landesverrat damit in keinem Falle vorliegen könne.6

Besondere Relevanz erlange jedoch das „Spiegel-Urteil“ vom 5. August 1966, in welchem das Bundesverfassungsgericht die öffentliche Aufgabe der Presse im Rahmen der demokratischen Willensbildung herausstellte und einen verstärkten Schutz der Pressefreiheit forderte. Nach der Spiegel-Affäre erhob der Spiegel-Verlag offiziell Verfassungsbeschwerde gegen die Durchsuchungsmaßnahmen und Beschlagnahme. Das Bundesverfassungsgericht wies diese Verfassungsbeschwerde zwar zurück, dennoch wird die Bedeutung der Presse und Pressefreiheit gewürdigt, was für die weitere Entwicklung der Rechtsprechung eine wichtige Orientierung darstellte. Der Presse wird zugestanden, eine wichtige Funktion innerhalb eines demokratischen Staates zu erfüllen und einen wesentlichen Faktor zur demokratischen Willensbildung beizutragen. Zudem wird in dem Urteil die Pressefreiheit nachhaltig garantiert und die Verantwortung des Staats aufgezeigt, diese Pressefreiheit gegen mögliche Meinungs- und Informationsmonopole zu schützen. Letztlich stellten die Richter aber auch fest, dass die Mittel der Durchsuchungen und Beschlagnahme bei Verdacht des Landesverrats ein legitimes Mittel darstellen. Folgend wird anerkannt, dass die Bevölkerung über Vorgänge der Verteidigungspolitik informiert werden muss, dabei aber nicht die Sicherheit des Staates gefährdet werden darf. Obwohl die Verfassungsbeschwerde des Spiegel abgewiesen wurde, wurde die Pressefreiheit mit diesem Urteil nachhaltig gestärkt und eine rechtliche Grundlage zum Schutz dieser Freiheit gefestigt. Dies ist einer der zentralen Gründe, warum der „Spiegel-Affäre“ auch heute noch eine so hohe Bedeutung in Bezug auf die Pressefreiheit in Deutschland beigemessen wird. Historisch betrachtet handelt es sich bei der Spiegel-Affäre nämlich um den wohl größten Angriff auf die Presse in der Bundesrepublik Deutschland, welcher jedoch abgewehrt werden konnte und so die Pressefreiheit stärkte.

3. Die Netzpolitik-Affäre

3.1 Ablauf der Netzpolitik-Affäre

Doch entscheidend ist nun, welche Bedeutung die Spiegel-Affäre und das anschließende Spiegel-Urteil heute noch für unsere Pressefreiheit einnehmen, oder ob sich die Gegebenheiten so sehr verändert haben, dass hier keine zentrale Relevanz mehrt verortet werden kann. Um diesen Sachverhalt zu untersuchen, lohnt es sich, einen Blick auf einen „aktuellen“ Fall von vermeintlichen Landesverrat zu werfen, welcher journalistische Arbeit betraf.

Am 15. April 2015 veröffentlichte der unabhängige Blog Netzpolitik.org einen Artikel mit dem Titel „Geheime Referatsgruppe: Wir präsentieren die neue Verfassungsschutz-Einheit zum Ausbau der Internet-Überwachung“7, welcher geheime Verfassungsschutzdokumente offenlegte, weswegen kurzzeitig wegen Landesverrat ermittelt wurde. Die auf Netzpolitik veröffentlichten Dokumente offenbarten die Pläne des Verfassungsschutzes zum Aufbau einer neuen Einheit (der Referatsgruppe 3C), welche zur massenhaften Überwachung des Internets eingesetzt werden sollte, um zum Beispiel die online-Aktivitäten von Radikalen und Extremisten auf sozialen Netzwerken zu analysieren und überwachen zu können. Der damalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, erstattete nach der Veröffentlichung des Artikel Strafanzeige wegen möglichen Landesverrat. Das so von Generalbundesanwalt Harald Range eingeleitete Ermittlungsverfahren richtete sich gegen den Autoren des Artikels Andre Meister, den Betreiber von Netzpolitik.org Markus Beckedahl und Unbekannt. Gegen Unbekannt wurde ermittelt, weil man gegen die unbekannte Quelle der auf Netzpolitik offengelegten Informationen vorgehen wollte. Am 10. August 2015 wurde das Ermittlungsverfahren gegen die beiden Journalisten von Netzpolitik wieder eingestellt, der Anzeige gegen Unbekannt, also die Quelle des Netzpolitik-Artikels, sollte weiter nachgegangen werden.

Das Verfahren löste, sicherlich auch der Ähnlichkeit zu den Vorfällen der Spiegel-Affäre geschuldet, ein enormes Echo der deutschen Medien hervor. In zahlreichen Artikeln wurde das Verfahren kritisiert und die sofortige Einstellung gefordert. Weiterhin solidarisierten sich Verbände wie die „Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union“ in Ver.di und der „Deutsche Journalisten-Verband“ mit den Journalisten von Netzpolitik und forderten unter anderem besseren, gesetzlichen Schutz von journalistischen Quellen8. Im weiteren Verlauf der Ermittlungen kam es Bundesweit zu Protesten. Besonders Netzaktivisten und Journalisten beteiligten sich an diesen Protesten und kritisierten das Verfahren als Versuch, investigativen Journalismus zu behindern und potenzielle Quellen einzuschüchtern.

Bundesjustizminister Heiko Maas distanzierte sich am 31. Juli von der Bundesanwaltschaft und zweifelte daran, dass die veröffentlichten Dokumente tatsächlich schwere Nachteile für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland bedeuten würden.9 Range stoppt noch am selben Tag das Verfahren und gab an, auf „mögliche Exekutivmaßnahmen“ vorerst zu verzichten.10 Am 1. Augst distanzierte sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel von Range und sprach Justizminister Maas ihre volle Unterstützung zu.11 Am 4. August ging Range im Rahmen einer offiziellen Stellungsnahme in die Offensive und brachte die Ergebnisse eines von ihm beauftragen Gutachters vor, welcher „bestätigte“, dass mit der Veröffentlichung der betreffenden Dokumente auf Netzpolitik „Staatsgeheimnisse“ veröffentlicht wurden. Range veröffentlichte die Ergebnisse des Gutachtens jedoch gegen die Weisung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) und bezichtigte unter anderem Maas „Auf Ermittlung Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis nicht opportun erscheint, […]“.12 Maas wies die Vorwürfe von sich und entließ Range in den Ruhestand.13 Damit hatte die auch die Netzpolitik-Affäre Folgen, auch wenn hier kein Minister zurücktrat, wie es im Rahmen der Spiegel-Affäre der Fall war. Die Ermittlungen gegen Unbekannt wurden später ebenfalls eingestellt, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Berlin am 6. Juli 2016 auf Nachfrage bestätigte.14 Erst mit Einstellung dieses Verfahrens kann von einem formalen Ende der Netzpolitik-Affäre (oder auch Landesverrats-Affäre) gesprochen werden. Das von Maaßen ausgelöste Ermittlungsverfahren sollte sich primär gegen die Weitergabe von geheimen Dokumenten richten, also gegen die Quelle der Netzpolitik-Journalisten. Mit dem Ende der Ermittlung gegen die journalistische Quelle war die Netzpolitik-Affäre formal aber abgeschlossen wurden.

3.2 Bedeutung der Spiegel-Affäre für die Netzpolitik-Affäre

Versuchen wir nun die beiden Angriffe auf die Pressefreiheit zu vergleichen. Die Spiegel-Affäre vollzog sich in einer heißen Phase des Kalten Krieges, bei welchem die Menschheit in ständiger Angst vor einem dritten Weltkrieg stand. Die vom Spiegel veröffentlichten Informationen waren jedoch letztlich keine Staatsgeheimnisse und durch das Spiegel-Urteil wurde zudem festgehalten, dass bei Verdacht auf Landesverrat Durchsuchungen und Festnahmen legitime Maßnahmen darstellen können. Auch die Netzpolitik-Affäre findet nicht im „luftleeren Raum“ statt, sondern im Rahmen einer Überwachungsdebatte. Nachdem die globale Überwachungs- und Spionageaffäre durch die National Security Agency (NSA) bekannt wurde, stieg das Misstrauen der Bürger gegenüber dem Staat. Die Veröffentlichungen von Netzpolitik haben dieses Misstrauen befeuert, wurde doch enthüllt, dass auch der deutsche Verfassungsschutz an einer massenhaften Überwachung im Internet interessiert ist und aktiv an einer Umsetzung arbeitet. Die Grundlagen, weshalb wegen Landesverrat vermutet werden kann, sind entsprechend, wie schon bei der Spiegel-Affäre, gegeben.

Dennoch scheint die Justiz aus den Ereignissen der Spiegel-Affäre gelernt zu haben; Obwohl das Spiegel-Urteil bei Verdacht auf Landesverrat Durchsuchungen und sogar Festnahmen legitimiert, wurden die Netzpolitik-Journalisten weder festgenommen, noch ihre redaktionellen Räumlichkeiten durchsucht. Primär ging es auch nicht um die Journalisten selbst, deren Bedeutung im Spiegel-Urteil nachhaltig gefestigt wurde, sondern um die journalistische Quelle, welche die geheimen Informationen an die Presse weitergegeben hatte. Das Spiegel-Urteil hält nämlich fest, dass die Presse die Aufgabe hat, die Bevölkerung über Vorgänge der Verteidigungspolitik zu informieren. Anders als im Kalten Krieg betraf diese Politik nicht die Pläne zum Einsatz von Atomwaffen oder Truppenübungen, sondern die Überwachung der eigenen Bürger. Da nach Einschätzung von Justizminister Maas durch die veröffentlichen Dokumente wohl keine Gefahr für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland hervorgebracht werden würde, waren die Netzpolitik-Journalisten rechtlich mehr oder weniger geschützt, was letztlich auch dem Spiegel-Urteil zu verdanken ist. In diesem Urteil wurde somit auch die Arbeit von investigativen Journalismus gestärkt und mit einer rechtlichen Sicherheit versehen. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass die Ermittlungen gegen die Journalisten schon am 31. Juli 2015 zur Ruhe gelegt und am 10. August 2015 letztlich ganz eingestellt wurden. Diese schnelle Reaktion und Bewertung durch Justizminister Maas und Bundeskanzlerin Angela Merkel war aber sicherlich auch der Verbreitung der Ereignisse in den Sozialen Medien geschuldet. Schon allein das Bekanntwerden der gestarteten Ermittlung wegen Landesverrat, brachten ein enormes Echo in der Netzgemeinschaft hervor. Es war nicht nötig, das Redaktionsräume besetzt oder andere Maßnahmen durch den Staat ergriffen wurden. Dass es dieses vielfache Echo im Netz gab, welches landesweit zu Protesten führte, war sicherlich auch dem gestärkten Selbstverständnis der Menschen in Bezug auf die Pressefreiheit geschuldet, welches maßgeblich von der Spiegel-Affäre geprägt wurde. Hier wird in meinen Augen vielfach deutlich, wie groß die Bedeutung der Spiegel-Affäre noch heute für unsere Pressefreiheit in Deutschland ist.

4. Gefahr für die heutige Pressefreiheit in Deutschland

Dennoch offenbart sich mit der Netzpolitik-Affäre auch ein Punkt, der die Pressefreiheit weiterhin bedroht. So hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen die Landesverrats-Quelle von Netzpolitik am 6. Juli 2016 offiziell eingestellt, jedoch nur, weil kein Verdächtiger ermittelt werden konnte. Beim Aufkommen neuer Erkenntnisse bezüglich der Quelle, kann das Verfahren jederzeit wieder aufgenommen werden, bis die Tat verjährt ist. Während diese Frist bei Verletzung des Dienstgeheimnisses fünf Jahre betrifft, sind bei Landesverrat 20 Jahre angesetzt. Demnach muss die Quelle bis 2035 fürchten, wegen der Weitergabe der Dokumente an die Presse bestraft zu werden. Damit wurde der eigentliche Angriff auf die Pressefreiheit, nämlich der auf die journalistischen Quellen, nicht wirklich abgewehrt. Das stellt ein klares Problem da, weil hier keine rechtlichen Grundlagen vorhanden sind, welche jedoch im Rahmen der Netzpolitik-Affäre hätten geschaffen werden können. Eine journalistische Quelle, welche empfindliche Informationen an die Presse weiterleitet, agiert somit völlig ohne rechtliche Sicherheiten und bringt sich damit aktiv in Gefahr, egal welche geheimen Informationen übermittelt werden. Dies widerspricht aber klar der Aufgabe der Presse, welche zur demokratischen Willensbildung beizutragen und die Bevölkerung entsprechend zu informieren hat. Um dieser Aufgabe nachzukommen, ist es unabdingbar, auch auf interne Quellen zurückgreifen zu können. Um eine umfassende Pressefreiheit zu garantieren, müssen auch diese journalistischen Quellen rechtlich geschützt werden. Dies wurde auch von vielen Aktivisten im Rahmen der Netzpolitik-Affäre gefordert, dennoch wurde keine Rechtsgrundlage geschaffen. Vielleicht auch, weil es zu keinem Prozess kam. Dennoch muss festgehalten werden, dass die Netzpolitik-Affäre, anders als die Spiegel-Affäre, nicht als wichtiger Vorfall zugunsten der Pressefreiheit gesehen werden kann. Denn obwohl die Pressefreiheit nun erstmals auch einen Blog geschützt hat und die Freiheit der journalistischen Arbeit durch die frühe Einstellung der Ermittlungen bestätigt wurde, blieb der Angriff auf journalistische Quellen unbeantwortet. Lediglich der Tatsache, dass die Ermittlungen ins leere liefen, ist es geschuldet, dass es hier zu keinem Prozess kam. Damit wird offensichtlich, dass die Spiegel-Affäre die wichtigsten Grundlagen für die Pressefreiheit in Deutschland schuf, diese Freiheit jedoch nicht umfassend ist. Höchstes Ziel muss es daher sein, auch journalistische Quellen zu schützen, was im Rahmen der Netzpolitik-Affäre nicht gelungen ist.

 

Quellen

1Ahlers, Conrad / Schmelz, Hans (1962): Bundeswehr. Bedingt abwehrbereit. In: Der Spiegel (41/1962)

2Ahlers, Conrad / Schmelz, Hans (1962): Bundeswehr. Bedingt abwehrbereit. In: Der Spiegel (41/1962)

3Eingesehen auf Spiegel-Affare.de; Abrufbar unter folgender URL: https://www.spiegel-affaere.de/proteste/landkarte-des-protests/ (zuletzt abgerufen 30.08.2017)

4Eingesehen auf Spiegel Online; Abrufbar unter folgender URL: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/spiegel-affaere-die-chronologie-a-850071.html (zuletzt abgerufen 31.08.2017)

5Eingesehen auf telemedicus.info; Abrufbar unter folgender URL: https://tlmd.in/u/180 (zuletzt aufgerufen am 31.08.2017)

6Eingesehen auf Spiegel Online; Abrufbar unter folgender URL: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/spiegel-affaere-die-chronologie-a-850071.html (zuletzt abgerufen 31.08.2017)

8Eingesehen auf Verdi.de; Aberufbar unter folgender URL: https://dju.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++5cadff36-3760-11e5-b0d1-525400438ccf (zuletzt abgerufen 31.08.2017)

9Eingesehen auf Spiegel Online; Abrufbar unter folgender URL: https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/netzpolitik-org-maas-sieht-ermittlungen-wegen-landesverrat-kritisch-a-1046307.html (zuletzt abgerufen 30.08.2017)

10Eingesehen auf FAZ.net; Abrufbar unter folgender URL: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/netzpolitik-affaere-chronik-der-geschehnisse-13735171.html (zuletzt abgerufen 30.08.2017)

11Eingesehen auf Spiegel Online; Abrufbar unter folgender URL: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/angela-merkel-zweifelt-ermittlungen-gegen-netzpolitik-org-an-a-1046487.html (zuletzt abgerufen 30.08.2017)

12Eingesehen auf Tagesschau.de; Abrufbar unter folgender URL: https://www.tagesschau.de/inland/range-137.html (zuletzt abgerufen 30.08.2017)

13Eingesehen auf Tagesschau.de; Abrufbar unter folgender URL: https://www.tagesschau.de/inland/maas-range-101.html (zuletzt abgerufen 30.08.2017)

14Eingesehen auf Spiegel Online; Abrufbar unter folgender URL: https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/landesverrat-ermittlungen-gegen-netzpolitik-org-quelle-eingestellt-a-1101664.html (zuletzt abgerufen 30.08.2017)

Johann von Ti
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