Father’s Island

Underground-Indie als trashige Videospiel-Kunst!

Ich bin mir nicht ganz sicher, wie ich hier beginnen soll, denn dieses Indie Spiel definitiv kein klassisches Videospiel. Doch beginnen wir vorsichtig und wagen uns an die Hintergründe zum Spiel. Father’s Island stammt vom kleinen Entwickler Homegrown Games und ist auf Basis von GameGuru geschaffen. Für mich recht interessant, besitze ich selbst diese Software, mit der man auch ohne große Programmierkünste eigene Spiele „basteln“ kann und sich als „Entwickler“ fühlen darf. Doch GameGuru ist enorm beschränkt und bietet eine bescheidene Optik als auch technische Basis – Weiterhin waren mir keine guten Spiele bekannt, die bereits auf Basis von GameGuru veröffentlicht wurden. Ich selbst kam nach ein paar Spielereihen mit der Software zu dem Schluss, dass man damit kein gutes Spiel machen kann – Nach Father’s Island musste ich diese Meinung ein wenig anpassen – Aber kommen wir endlich zum Spiel selbst!

Father's Island - Die Welt

Trash-Game der guten Sorte

In unserer Filmkultur ist „Trash“ schon lange ein fester und auch wichtiger Bestandteil und gehört zum Gesamtbild dazu. Die Szene ist mutig, unabhängig und traut sich die Sachen zu machen, bei der große und vor allem profitorientierte Studios schreiend verschwinden und ihr Heil in der Flucht suchen würden. Unabhängigkeit gegenüber dem Mainstream ist das Schlüsselelement, was solche Filme zum Kult werden lässt. Father’s Island scheint genau dieser Kultur zu folgen und in digitaler Videospiel-Form anzuwenden. Die Optik ist mies, die Aufmachung billig und alles wirkt absurd amateurhaft. Doch da hört das Spiel (zum Glück) nicht auf. Spiele, die mies sind, gibt es zuhauf – Populäres Beispiel ist wohl der Goat Simulator, der mich alles andere als befriedigte. Das Spiel war schlecht, bot keinen echten Inhalt und warb damit, wie schlecht und „lustig“ es eben sei. Father’s Island ist aber mehr als das: Doch um das näher zu erläutern, müssen wir uns die Geschichte, die das Spiel erzählt, näher anschauen.

Father's Island - Ingame Art

Die Story

Wie schlüpfen in die Rolle von John, der die letzten Jahre seines Lebens im Gefängnis verbringen musste, weil er angeblich einen Supermarkt überfallen hätte. DNA-Spuren beweisen unsere Schuld, doch wir wissen, dass wir es nicht waren. Wie müssen also unsere lückenhafte Vergangenheit durchforsten, um diese für uns völlig verworrene Situation zu lösen. Damit hätten wir auch grob das Gerüst, auf welches man hier die Geschichte des Spiels aufbaut. Unsere Vergangenheit, besonders unsere Kindheit, verbrachten wir auf einer mysteriösen Insel. Doch die Erinnerung an diese Zeit scheinen „gelöscht“ worden zu sein. Wir müssen uns also zu der Insel unserer Kindheit aufmachen, besteigen ein kleines Boot und tuckern los – Es beginnt ein Erlebnis, welches ich am ehesten als „interessant“ betiteln würde. Die erstaunlich große Insel hält nämlich viel Raum zu erkunden bereit und hat eine ganz eigene, sehr spezielle Atmosphäre. Düster, dreckig und realitätsfern. Die Geschichte wird in Form von Briefen, Notizen, alten Akten und seltsamen, geisterhaften Erscheinungen unsere Vaters erzählt. Doch zu meiner eigenen Überraschung überzeugte mich diese Art der Aufmachung: Besonders die versteckten Notizen in der Welt schaffen nach und nach ein besseres Bild von den Umständen, ohne dabei zu viel zu verraten oder zu langweilen. Man wird herangeführt, veralbert und manchmal auch verwirrt. Das liegt auch an der offenen Welt, in welcher wir die Informationen in unterschiedlicher Reihenfolge aufnehmen können. Doch auch die Geistererscheinung unseres Vaters ist irgendwie stimmig und angenehm ungewohnt, wirft aber in der Regel zahlreiche Fragen auf. Man entwickelt fast schleichend einen Bezug zu dieser Insel, die eine eigene Welt darzustellen scheint. Father's Island - Ein Berg und ein Haus

Gameplay & Mechanik

Das liegt in meinen Augen besonders an der Tatsache, dass Spiel eigentlich nichts erklärt. Man wandert umher, erkundet die Insel und muss sich selbst einen Reim auf die ganze Geschichte bilden. Man entwickelt, geprägt durch die in der Welt auffindbaren Details und Hinweise, eine ganze Reihe eigener Theorien, was das eigentlich alles soll und genau das macht irgendwie Spaß. Wobei ich betonen muss, dass dieses Gefühl zum Spiel erst mit wachsender Spielzeit einsetzt. Doch lässt man sich darauf ein, erhält man ein überraschend tiefes Spielerlebnis, ohne es direkt wahrzunehmen bzw. darauf gedrängt zu werden. Und hat man sich an die miese Optik gewöhnt, bemerkt man, wie detailreich die Entwickler hier dennoch gearbeitet haben. Das Gesamtbild ist trotz matschiger Texturen, einem rote-braunen Lichtspiel und sich wiederholender Modelle stimmig. Es ist in sich schlüssig, obwohl es zeitgleich auf Konfessionen „scheißt“. Wie eine große, warme Decke, bestehend aus zahlreichen Flicken. Kein klassisches Stück, aber es wärmt wunderbar.

Father's Island - Ein Schlüssel

Das Gameplay umfasst das erkunden der Insel und das suchen von Schlüsseln, um neue Bereich erkunden zu können. Auf geballte Action wird verzichtet, die Geschichte um den Protagonisten und seine mysteriöse Vergangenheit ist allein für den Spielfluss zuständig. Dadurch ist die Mechanik lediglich zweckmäßig, was sich in einer „hakeligen“ Steuerung und aufkommenden Bugs bemerkbar macht. Haben wir zum Beispiel eine Tür geöffnet, kann es passieren, dass wir nicht einfach hindurchgehen können, sondern mehrere „Anläufe“ brauchen. Auch das erklimmen von Treppen wird zum ungewollten Abenteuer. Weiterhin hatte ich den Bug, dass das Wasser im Spiel nicht mehr zu sehen war. Doch Father’s Island legt keinen Wert auf die Steuerung: Sie soll den Spieler durch die Welt „bewegen“ und genau das tut sie eben auch. Man kann rennen, sich ducken und springen – Weder schön noch elegant, aber zweckmäßig. Die Soundkulisse ist für mich, wie die Welt, stimmig. Die Übergänge im Sound sind zuweilen recht scharf bzw. nicht vorhanden, doch insgesamt hat jeder Ort eine passende Geräuschkulisse, was das Spielerlebnis stark prägt. Ohne die Musik im Spiel, würde einfach etwas fehlen. Weiterhin finden wir neben Gebäuden, Seen und Bäumen auch ein paar Tiere, die uns zumindest ein wenig Gesellschaft leisten. Auf menschliche Zeitgenossen müssen wir nämlich verzichten. Gut so: Denn das „einsame“ erkunden der fremden und doch bekannten Welt macht die Atmosphäre des Spiels aus. Father's Island - Die Schule

Fazit

Es bleibt also zu sagen: Father’s Island ist Trash, aber auch (oder gerade deswegen) Videospiel-Kunst. Man muss sich darauf einlassen und Videospiele als solche lieben, um mit diesem Spiel glücklich zu werden. Die Handlung verdichtet sich mit wachsender Spielzeit und wächst zu einem echten „Mindfuck“ heran, welcher das erreichen der vier möglichen Enden des Spiels enorm fördert. Die ganze Aufmachung ist so weit entfernt von allen bekannten Standards und hat mich doch irgendwie fesseln können. Father’s Island ist ein spezielles Spiel und wird nur bestimmte Spieler ansprechen – Ich habe dieses Abenteuer genossen und war teilweise wirklich baff, musste aber ab und an auch über den abwegigen Humor schmunzeln, der einem immer wieder im Spiel begenet. Für den Mainstream völlig uninteressant, für Interessierte und Videospiel-Enthusiasten ein „Underground“-Produkt, welches eigene Wege geht, ohne Rücksicht auf die Konsumenten zu nehmen. Wer darauf steht, zahlt gerne 5 Euro auf Steam, wer aber schon von den Screenshots und der Geschichte abgeschreckt ist und Spiele wie Dear Esther nicht mochte, setzt lieber eine Runde aus.

Johann von Ti
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