Pilgrims – Ein spielbares Bilderbuch

Test zu Pilgrims. Zu sehen ist die Dorfgemeinschaft, die mit dem Teufel Poker spielt.

Es gibt solche Spiele, die wecken schon allein durch ihren auffallenden Art Style mein Interesse. Zu dieser Gattung Spiele gehört ganz eindeutig Pilgrims des tschechischen Entwicklers Amanita Design, welche unter anderem für Perlen wie Machinarium oder Samorost bekannt sind. Bei Pilgrims handelt es sich um ein kurzweiliges Abenteuerspiel, welches uns auf eine Reise voller kleiner Sammel- und Rätsel-Aufgaben schickt. Das Gameplay ist dabei mit einfachen Point-and-Click-Mechaniken garniert, während die Optik einem osteuropäischen Cartoon entsprungen zu sein scheint. Doch was steckt hinter dem bilderbuchartigen Titel?

Probieren geht über studieren

Pilgrims beginnt mit einer feuchtfröhlichen Poker-Runde, in welcher nach einigen Bieren nicht mehr allein um Geld gespielt wird. Das eigentliche Spiel startet dann aber erst am Morgen nach der durchzechten Nacht – unsere erste Spielfigur klettert aus einem Zelt irgendwo im Wald. Auf kurz oder lang treffen wir auf einen Bootsmann, bei welchem wir scheinbar eine Überfahrt anstreben. Doch bevor uns der Fährmann übersetzen will, sollen wir seinen verlorenen Vogel suchen. Und so beginnen wir, die Spielwelt zu erkunden, wodurch sich weitere Begegnungen und Aufgaben aneinanderreihen. Tatsächlich erzählt Pilgrims seine Handlung zunächst fast völlig inkohärent und bruchstückhaft. Das ist aber nicht weiter problematisch, weil das den Kerngedanken des eigentlichen Gameplays stützt – ausprobieren.

Pilgrims-Map

In der Welt von Pilgrims erkunden wir unterschiedliche Schauplätze und finden neue Gegenstände, Charaktere und Rätsel-Aufgaben.

Durch das weitere Erkunden der Spielwelt nehmen wir neue Gegenstände auf. Diese wandern in Form von „Spielkarten“ in unser Inventar und können dann mit der Spielwelt in Interaktion gesetzt werden. Legen wir also eine „Spielkarte“ ab, wird eine bestimmte „Sequenz“ abgespielt – durch Probieren und seichtes Kombinieren kommen wir dann auf die ersten Lösungswege. Mit einem Topf können wir zum Beispiel Wasser aufnehmen und dieses dann über einem Feuer mit einer Zutat zum Kochen bringen und so weiter. Mit voranschreitendem Spielverlauf treffen wir auch neue spielbare Charakter, wobei diese uns neue Kombinationsmöglichkeiten eröffnen. Tatsächlich werden uns zahlreiche Lösungswege geboten, sodass sich das Herumprobieren und Austesten belohnend anfühlt. Und funktioniert ein von uns angestrebter Lösungsansatz mal nicht, dürfen wir vergnügt einem ausgelösten, kleinen Sketch zuschauen.

Pilgrims-mit-dem-Besen-auf-den-Kopf

Pilgrims lässt uns auch ganz charmant scheitern – funktioniert ein Lösungsversuch von uns nicht, gibt es dennoch einen witzigen Sketch zu sehen, der unser Scheitern visualisiert.

Ein außergewöhnlicher Stil

Das Spiel sieht hervorragend aus, auch weil der Stil insgesamt so stimmig und unverbraucht ist. Die Animationen der Figuren erinnern an Papier-Hampelmänner, die in charmanter Cartoon-Manier daherkommen; dumpfe Schläge auf den Kopf, vor Wut Feuer versprühende Augen und selige Trunkenheit – es sind diese Szenen, in denen Pilgrims besonders glänzen kann. Es macht Spaß, die Figuren bei ihren Aktionen zu beobachten und unterschiedliche Reaktionen auszulösen. Vielleicht kann der ungestüme Grobian der Gruppe mehr beim Priester herausholen, als das wehklagende Großmütterchen? Ansonsten wirkt das gesamte Spiel wie ein spielbares Bilderbuch osteuropäischer Folklore, welches optisch einfach wunderbar erfrischend ist.

Wie schon erwähnt, erzählt Pilgrims seine Handlung zunächst recht zusammenhangslos; die Kommunikation innerhalb der Spielwelt ist auf wortlose Sprechblasen reduziert, welche in einfachen Symbolen anzeigen, was ein bestimmter Charakter gerne möchte. Dadurch wissen wir immer genau, was an einer bestimmten Stelle gefordert wird, auch wenn zunächst nicht immer klar ist, wo wir das geforderte Gut auftreiben können. Ansonsten grummeln und nuscheln die Charaktere beständig, wobei ab und an einige tschechische Vokabeln hervorstechen – sehr charmant das Ganze. Auch die Musik fügt sich nahtlos in das Gesamtbild ein und unterstreicht den volkstümlichen Charakter von Pilgrims. Eine schöne Nebensächlichkeit; wenn wir in die Verlegenheit kommen uns in Pilgrims zu betrinken, und die Möglichkeit bietet sich nicht zu selten, passt sich die Musik dynamisch an.

Pilgrims-nonverbale-Kommunikation

Die Nonverbale-Kommunikation in Pilgrims ist einfach aber funktional. Der bärtige Grobian wird uns erst dann helfen, wenn wir seinem Wunsch entsprechen.

Ein kurzes Abenteuer

Ein wenig überrascht war ich vom plötzlichen Ende des Spiels – nach knapp einer Stunde hatte ich meinen ersten Durchlauf bereits abgeschlossen. Bis dahin rechnete ich fest damit, dass ich aktuell nur eine Art Prolog gespielt hätte und das eigentliche Spiel nun erst so richtig los gehen würde. Aber leider ist Pilgrims, so wunderbar es auch sein mag, eine wirklich kurze Erfahrung. Der klare Mehrspielwert, welcher uns einige weitere Durchläufe schmackhaft macht, ist zwar gegeben, immerhin kam ich auf gut drei Stunden Spielzeit, aber letztlich kann dies nicht davon hinwegtäuschen, dass wir es hier mit einem wirklichen schmalen Titel zu tun haben.

Und dadurch stechen auch andere Aspekte ein wenig negativer hervor; so können wir zwar mit unseren Charakteren wirklich viel experimentieren, jedoch hätte man das Ganze hier noch ein wenig mehr ausschöpfen oder gar auf die Spitze treiben können (wenn die Spielzeit schon so begrenzt ist). Unser dämonenhafter Teufelsbegleiter zum Beispiel hat in einigen Situationen nicht wirklich viel Spielraum, sondern verlässt oft Achselzuckend die Szenerie. Auf der anderen Seite fällt das auch erst dann auf, wenn man als Achivment-Jäger mehrere Durchläufe anstrebt und jegliche Kombinationsmöglichkeiten durchgeht – also hier Meckern auf wirklich hohen Niveau. Insgesamt warten 45 Errungenschaften darauf, gesammelt zu werden. Einen Großteil kann man recht schnell beschaffen – um alle zu sammeln, sind aber einige Durchläufe und ein wenig Herumprobieren notwendig – aber genau das macht den Reiz am Spiel aus. Tatsächlich geht es weniger darum, eine konkrete Lösung für ein Problem zu finden, sondern zu entdecken, wie viele unterschiedliche Lösungswege uns für ein und das selbe Problem eigentlich zur Verfügung stehen.

Pilgrims-seichte-Rätsel-und-leichtes-kombinieren

Manchmal führen zunächst recht unwahrscheinliche Wege zum Ziel – dennoch bleiben die Rätsel-Aufgaben in Pilgrims immer fair und laden zum entspannten experimentieren ein. Davon hätte es gerne noch mehr sein können.

Fazit

Pilgrims ist einfach ein liebenswürdiges, aber eben auch sehr kurzweiliges Abenteuerspiel, welches mit fantastischen kleinen Ideen zu glänzen vermag. Der verspielte und unverbrauchte Art Style ist erfrischend, während die klangliche Untermalung ihr Übriges tut, um das Gesamtbild gänzlich abzurunden. Es bleibt ein unverwechselbarer Titel, welcher ein ungezwungen und zugleich leichten Spielgenuss bietet. Allein der Umfang des Spiels, das für mich fast schon plötzliche Ende, sind überhaupt Kritikwürdig. Gerne hätte ich ein deutlich längeres und vielleicht sogar komplexeres Spiel in dem hier präsentierten Stil und den gezeigten Gameplay-Mechaniken gespielt, welches die schönen Ideen weiter ausreizt und mir mehr Facetten dieser wunderschönen, kleinen Welt offenbart.

Für mich ein wirklich gelungener Titel, der seine 5 Euro auf Steam durchaus wert ist – zwar bemerkt man, dass der Titel primär für iOS entwickelt wurde, aber auch auf dem PC ist die Umsetzung gelungen. Als Spieler erhält man hier optisch, klanglich und spielerisch die gewohnte Amanita Qualität, welche einen beschaulichen Abend um ein außergewöhnliches, kleines Abenteuer bereichern kann.

Johann von Ti
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