Pillars of Eternity II – Meine Probleme mit dem RPG

Ich war Feuer und Flamme, als für Pillars of Eternity ein Nachfolger angekündigt wurde, bin mit dem Ergebnis aber alles andere als zufrieden.

Auf Pillars of Eternity II: Deadfire habe ich mich Anfang des Jahres extrem gefreut und hatte mich sogar beeilt, den Vorgänger möglichst komplett abzuschließen, um die dort getroffenen Entscheidungen in den Nachfolger mitnehmen zu können. Denn wie in RPGs dieser Art nicht unüblich, kann man seinen Charakter wieder in den nächsten Teil übertragen, sodass sich Entscheidungen, die man im Erstling getroffen hat, auch im zweiten Teil bemerkbar machen. Und meine Güte, war ich heiß auf das Game. Doch nachdem ich ca. 20 Stunden mit dem Spiel verbracht hatte, setzte eine Ernüchterung ein, die ich lange schwer in Worte fassen konnte, heute will ich dies aber endlich wagen und aufzeigen, warum mich Pillars of Eternity II nicht so wirklich abholen konnte.

Gute Ansätze und Ideen

Ich bin ein großer Freund klassischer RPGs ala Baldur’s Gate und verbringe gerne viele Stunden in diesen fantastischen Welten, in welchen ein Abenteuer das nächste Jagd, während man eine Truppe aus tapferen Abenteurern zusammenstellt und unterschiedlichste Charaktere trifft. Und keine Frage; Auch Pillars of Eternity II bietet genau das in einem gigantischen Umfang. Die Idee vom Spiel ist dabei großartig; Wir müssen von unserem angetrauten Stammsitz aufbrechen, um mit einem Schiff eine Inselwelt zu erkunden. Während man also im Vorgänger von Ort zu Ort wanderte, reisen wir nun mit einem Schiff von Insel zu Insel, was viele Möglichkeiten mit sich bringt. Wir müssen zum Beispiel eine Mannschaft anheuern, für ausreichend Nahrung und Frischwasser sorgen und können mit der Zeit sogar eine kleine Flotte aufbauen. Großartiges Potenzial, welches eigentlich auch gut umgesetzt wurde.

Pillars of Eternity II - Gute Ansätze und tolle Ideen

Gute Ideen findet man in Pillars of Eternity II in rauen Mengen. Hier hat ein kleines Inselvolk Beispielweise einige Kreaturen gefangen, weshalb die Brutmutter der Reptilien nun Angriffe auf die Siedlung befiehlt. Wir können die Echsen retten, oder aber die Brutmutter töten, um die Situation zu entschärfen.

Auch die Idee, dass wir nun zahlreiche Inseln erkunden, ist großartig. Eine ganze Inselwelt, dir mitten in einer frühkolonialen Phase steckt, in welcher außenstehende Reiche und mächtige Handelsgesellschaften erste Häfen errichten und Expeditionen in unerforschte Gebiete entsenden, während Piraten, indigene Völker und versteckte Mächte ordentlich mitmischen. Das scheint doch aber alles super, warum bin ich dann doch weniger angetan von Pillars of Eternity II?

Der große Held, der keiner mehr ist

Zunächst eine große Ernüchterung direkt zum Spielstart; Zwar darf ich die Entscheidungen aus dem Erstling übertragen, aber das war es eigentlich auch. Während man in Baldur’s Gate seinen Charakter samt seinen Fertigkeiten überträgt, darf man hier wieder von Null starten. Vom mächtigen Zauberer also wieder zu dem Kerl, der schon gegen größere Ratten ordentlich Probleme hat. Natürlich verstehe ich diese Entscheidung; Hätte man mit den Werten des Erstlings gestartet, hätte man das Spiel komplett darauf anpassen müssen, was für neue Spieler ein Problem gewesen wäre. Das wäre auch nicht ganz so schlimm, wenn nicht alles und jeder im Spiel sagt, dass wir der Auserwählte, der Retter und eben der Held überhaupt sind. Wir sind der, der von den Göttern auserkoren wurde, die Welt zu retten. Das nervt, besonders, wenn man eben wieder mit Level Null beginnen darf.

Pillars of Eternity II - Start von Level Null

Wir starten zwar wieder als totaler Schwächling ins Spiel, dennoch steht sofort und unwiderruflich fest, dass wir der Held sind, der die Welt rettet und jeder weißt uns mehr oder minder daraufhin.

Pillars of Eternity II hat zahlreiche Probleme, von denen viele andere moderne PRGs auch betroffen sind. Die Welt gleicht einem Filmset, in dem wir von Einstellung zu Einstellung hechten, um den nächsten Abschnitt zu drehen. Alles ist für unsere Ankunft bereitet; Wir haben also unseren großen Auftritt, dürfen vorhersehbare Probleme mit vorhersehbaren Mitteln lösen und weiter geht es. Statt eine eigene Geschichte zu schreiben, wird schmerzhaft deutlich, dass man einer handvoll fester Handlungssträngen folgen muss, die auch noch recht früh auf uns zukommen. Während man im ersten Pillars of Eternity noch langsam in die Vorgänge gezogen wurde, geht hier alles viel zu schnell und wird auch noch ausschweifend erklärt. Wer das Rollenspiel also für seine Story spielen wollte, wird bei Pillars of Eternity II wohl ziemlich enttäuscht werden.

Schlecht aufgesetztes Piraten-Setting

Der nächste Punkt ist das Piraten-Setting; Dieses wirkt so krampfhaft aufgesetzt, dass es schon weh tut. Man arbeitet mit allen erdenklichen Klischees, statt eine eigene Welt zu errichten bzw. das vorhandene Universum darauf abzustimmen. Stattdessen quetscht man ein sehr klassisches Fantasy-Setting in eine Südsee-Piraten-Welt mit Schießpulver, südamerikanischen Akzenten und Schiffen. Zwar birgt die Idee des Schiffs-Management endloses Potenzial, bleibt dann aber furchtbar oberflächlich und belanglos. Das Management ist nicht fordernd, sondern auf Dauer nur nervig und bringt kein eigenes Gameplay mit sich. Ansonsten bleiben alle Fraktionen, denen wir im Verlauf des Spiels begegnen, sehr flach und letztlich belanglos. Ich fühlte mich keiner Gruppe jemals wirklich verbunden, auch weil zunächst alle Gruppen an einem interessiert sind, da man ja der große Held ist.

Pillars of Eternity II - Schiffs-Management

Das wir unser Schiff samt Mannschaft managen müssen, ist eine tolle Idee, bleibt aber oberflächlich und verkommt am Ende zu einem nervigen Zusatzelement, bei dem wir gelegentlich ein paar Vorräte auflesen oder neue Dinge kaufen. Da richtige Seeschlachten nur über Texttafeln geregelt werden, geht hier viel Potenzial verloren. Gekämpft wird zwar auch auf den Schiffen, dann aber nur Mann gegen Mann, die Kanonen werden nur in Textbausteinen abgefeuert.

Auch die bereits erwähnten Insel-Welt bringt vor allem Probleme mit sich. Denn die Quantität drückt zum Teil auf die Qualität. Während nämlich wichtige und relevante Inseln großartig designt sind, zahlreiche Gebiete bieten und an die gewohnte Qualität der Vorgängers heranreichen (und sogar überragen), gibt es die unwichtigen Gebiete, die den Gesamteindruck für mich doch stark abschwächten. Diese bieten oft kaum oder nur wenige begehbare Abschnitte und dienen nur als Fundorte für Vorräte oder eine Kampfsituation. Es gibt diverse Quests, bei denen man zu einer kleinen Insel tuckert, dort einen Tempel oder ähnliches vorfindet, sich dann in die tiefsten Katakomben vorkämpft, nur um dann gegen irgendwas zu kämpfen. Das warum bleibt dabei leider viel zu oft auf der Strecke. Auch die Belohnungen für viele Aufgaben sind so belanglos, dass weder das lösen der vielen Nebenaufgaben, noch das Erkunden der Insel-Welt langfristig Spaß bereitet.

Fazit

Durch die fehlende Tiefe der Spielwelt und Charaktere in Kombination mit monotonen Kämpfen macht sich schnell Ernüchterung breit und genau das wurde mir mit ca. 20 Spielstunden so richtig deutlich. Denn sobald man erkennt, wie gehaltlos die aufgeblasene Spielwelt eigentlich ist, bricht Pillars of Eternity II in sich zusammen.

Pillars of Eternity II ist letztlich kein totaler Ausfall, aber es scheint, als hätte Obsidian Entertainment hier zu viel auf einmal gewollt. Man merkt die zahlreichen und auch wirklich coolen Ansätze, die aber nicht aufgehen, weil sie zu oberflächlich gehalten sind. So haben wir am Ende ein RPG, welches zwar irgendwie an die Klassiker ala Baldur’s Gate erinnert, aber überladen und eben nicht fokussiert erscheint und in seine Bestandteile zerfällt. Vermutlich wollte man möglichst viele neue Spieler anziehen, hat dabei aber verpasst, seinem Spiel die nötige Tiefe zu verleihen. Es bleibt ein in vieler Hinsicht interessantes Spiel mit tollen Konzepten, welches jedoch nicht überzeugen kann und weder an den Vorgänger, noch Vorbilder wie Baldur’s Gate, Icewind Dale oder Planescape: Torment heranreicht, was wirklich schade ist.

Johann von Ti
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