Psychologie und Gefahren von kostenlosen Spielen

Eine graue Katze sitzt auf einem Haufen von Münzen. Interessiert blickt die Katze auf die Geldmünzen unter sich.

Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul? Dieses Sprichwort gilt in der heutigen Welt schon längst nicht mehr. Denn wenn Unternehmen ihre Dienste und Produkte kostenlos anbieten, steckt dahinter keine Selbstlosigkeit, sondern knallhartes Kalkül. Manchmal verdienen die Firmen ihr Geld damit, indem sie Informationen über ihre Nutzer sammeln oder Platz für Werbung zur Verfügung stellen. Und manchmal dienen kostenlose Angebote als Lockmittel, um die Kunden in der Zukunft dazu zu bewegen, Geld auszugeben. Das ist auch bei den meisten kostenlosen Videospielen der Fall. Längst sind es nicht mehr nur kleine Smartphone-Games, die sich über das Free-to-play Modell finanzieren. Auch MMOs, Shooter und viele andere vollwertige Multiplayer-Spiele sind heute auf den ersten Blick kostenlos. Denn für die Spielentwickler ist diese Praktik rentabel. Während sie ansonsten nur einmal etwas am Kaufpreis verdienen können, ist es bei Free-to-play spielen möglich, immer wieder abzukassieren. Auf die lange Sicht kommen so deutlich größere Beträge zusammen. Auch wenn Gamer dieses neue Geschäftsmodell immer wieder kritisieren, dürfte sich an der Verbreitung von kostenlosen Videospielen so schnell nichts ändern.

Free-to-play: Ein neues Geschäftsmodell

Ein herkömmlicher Konsolentitel kostet um die 60 Euro, womit Entwicklungskosten abgedeckt werden müssen, die oft mehr als hundert Millionen Euro betragen. Und für Handy-Spiele traut sich kaum ein Studio, mehr als einen einstelligen Eurobetrag zu verlangen. Haben Kunden ein Spiel erst einmal gekauft, erwarten sie Updates zur Fehlerbehebung und auch der Betrieb der Server fällt dem Entwickler des Spiels zulasten. Damit das sich rentiert, muss eine sehr große Anzahl von Spielen verkauft werden. Bei kostenlosen Spielen ist den Einnahmen hingegen nach oben keine Grenze gesetzt. Zwar gibt es immer auch eine große Anzahl von Spielern, die das Interesse am Spiel verlieren, wenn sie zum ersten Mal in den Geldbeutel greifen müssen. Andere geben ein oder zweimal geringe Beträge aus, bevor sie die Lust am Bezahlen verlieren.

Wieder andere kämpfen sich hartnäckig durch das Spiel durch und warten einfach so lange, bis sie die notwendigen Fähigkeiten oder Items umsonst erhalten. Diese Gruppen sind aber nicht das Zielpublikum solcher Angebote. Das besteht aus der kleinen Minderheit von Spielern, die bereit sind, hunderte oder gar tausende von Euros in das Spiel zu investieren. Das würde natürlich niemals funktionieren, wenn der ganze Betrag auf einen Schlag zum Kauf des Spiels fällig wäre. Vielmehr sind es zahlreiche kleine Transaktionen, die sich mit der Zeit summieren. Oft machen die Entwickler es den Spielern bewusst schwer, den Überblick über ihre Ausgaben zu behalten. Die Strategie rentiert sich: Free-to-play-Spiele sind mittlerweile für einen Großteil des weltweiten Umsatzes mit Videospielen verantwortlich.

Zu sehen ist ein Menü in dem Spiel FIFA 18. Das Menü zeigt unterschiedliche Pakete, in welchen man für echtes Geld Fifa-Points kaufen kann. Die Preise reichen von 15 Euro bis zu 100 Euro.

Selbst Vollpreisspiele wie die FIFA-Reihe setzen seit längere Zeit auf eine starke Integration von Mikrotransaktionsmodellen. Spieler können Geld für Punkte ausgeben, um zufällige Spieler zu erhalten – je mehr man ausgibt, desto bessere Spieler kann man aufstellen. Das ist im Grunde ein klares Pay-to-Win-Modell, welches sich bereits etabliert hat.

Verschiedene Arten von kostenlosen Spielen

Dabei gibt es durchaus große Unterschiede zwischen den einzelnen Arten von kostenlosen Spielen. Natürlich finden sich im App-Store auch ein paar kleine Games von Hobby-Programmierern, die überhaupt keinen kommerziellen Hintergrund haben. Und es gibt auch zahlreiche kostenlose Spiele, die über Werbeeinblendungen finanziert werden. Diese Arten von kostenlosen Spielen sind aber nicht Gegenstand dieses Artikels. Hier geht es vor allem um die Spiele, bei denen der Spieler früher oder später aufgefordert wird, Geld hinzublättern. Im Grunde genommen gibt es dabei zwei Varianten. Bei manchen Spielen stehen Mikrotransaktionen für das Spielerlebnis nicht im Vordergrund. Spieler können damit beispielsweise besondere Skins, Waffen oder Ausrüstungsgegenstände kaufen, die aber keine entscheidenden Auswirkungen auf das Gameplay haben. Oder sie werden vor die Wahl gestellt, ob sie grinden möchten, um das nächste Level zu erreichen, oder den Prozess lieber gegen eine kleine Zahlung in der Spielwährung abkürzen möchten. Insgesamt haben zahlende und nicht-zahlende Spieler aber ein ähnliches Spielerlebnis. Demgegenüber stehen Pay-to-win Spiele, bei denen die Nutzer ohne Zahlungen schnell an eine Grenze stoßen. Dazu zählen mittlerweile nicht nur kostenlose Games, sondern auch Bezahltitel wie FIFA.  Wenn sie in den Ranglisten aufsteigen oder auch nur ein weiteres Level schaffen möchten, müssen sie in die Tasche greifen – zunächst ein bisschen, später immer tiefer.

Die Psychologie hinter kostenlosen Spielen

Free-to-play-Spiele nutzen geschickt einige Schwächen der menschlichen Psychologie aus, um ihren Spielern möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen. Für den Einstieg werden zunächst äußerst geringe Hürden gesetzt. Weder eine Registrierung noch eine Zahlung sind notwendig. Allein das Signal, dass es etwas kostenlos zu haben gibt, lässt viele Menschen Spiele ausprobieren, an denen sie sonst kein allzu großes Interesse hätten. Den selben psychologischen Mechanismus verwenden auch Online Casinos, wenn sie Spieler mit Bonusaktionen mit einer minimalen Einzahlung zur Eröffnung eines Kontos bewegen. Hat der Spieler erst einmal etwas Zeit in ein Spiel investiert, möchte er es nicht so einfach wieder aufgeben. Wenn dann zum ersten Mal der Kauf von Guthaben fällig wird, gehen viele Nutzer diesen Schritt, obwohl sie ursprünglich gar nicht die Absicht hatten, Geld auszugeben.

Ein weiterer Trick ist die Umwandlung von echtem Geld in eine virtuelle Währung. Oft werden in einem Spiel sogar mehrere verschiedene Bezahltokens eingesetzt, die zum Teil ineinander umgewandelt werden. Das macht es für den Spieler äußerst schwierig, zu durchschauen, wie viel Geld er gerade für eine Transaktion ausgibt. Das wiederum führt dazu, dass sie letztendlich deutlich mehr Geld ausgeben als beabsichtigt. Ein weiterer psychologischer Mechanismus ist der sogenannte Sunk-Costs-Effekt. Wenn Spieler bereits eine gewisse Summe Geld investiert haben, um ihr Ziel – beispielsweise einen Platz auf der Bestenliste des Spiels – zu erreichen, halten sie eher an dem Vorhaben fest. Anstatt mit dem Spielen aufzuhören und sich so einzugestehen, dass sie das Geld umsonst ausgegeben haben, zahlen sie immer weiter ein. Auch wenn es rational viel mehr Sinn machen würde, sich einen Fehler einzugestehen, erhoffen sie sich von jeder weiteren Zahlung, endlich ihr Ziel zu erreichen. Auf diese Weise investieren sie immer wieder kleine Beträge. Diese addieren sich letztendlich zu Gesamtbeträgen, die in keinem Verhältnis zum Mehrwert des Spiels stehen. Schließlich gibt es noch die Ego-Depletion, die darauf baut, dass die Spieler nach und nach ihre Selbstkontrolle verlieren.

Durch Spielaufgaben, die Selbstdisziplin erfordern, wird die Willenskraft der Nutzer nach und nach geschwächt. Das kann beispielsweise durch langweilige Aufgaben und lange Wartezeiten erreicht werden. Der Spieler muss sich zwingen, diese Aufgaben zu erfüllen, um ein Spielziel zu erreichen. Dabei werden jedes Mal seine mentalen Ressourcen zur Selbstkontrolle ein bisschen weiter abgebaut. Gleichzeitig wird ihm immer wieder angeboten, diese nervigen Aufgaben durch eine Mikrotransaktion abzukürzen. Früher oder später können viele Spieler dieser Versuchung nicht mehr widerstehen.

Risiken und Nebenwirkungen: Problematisches Spielverhalten

Die Summen, die dabei ausgegeben werden, sind teilweise schockierend. Berichten zufolge sollen zahlreiche Spieler des Browserspiels Clash of Clans mehr als 10.000 US-Dollar für Mikrotransaktionen ausgegeben haben. Das Problem dabei ist, dass sich in der Regel Menschen zu solchen Ausgaben hinreißen lassen, die ohnehin emotional labil und verwundbar sind. Das kann zum einen zu finanziellen Problemen führen. Denn Spielguthaben kann in der Regel mit der Kreditkarte gekauft werden. Das kann ein erster Schritt auf dem Weg in eine problematische Verschuldung sein. Aber auch Spieler, die kein Geld für ihr Hobby ausgeben, werden durch Free-to-play-Titel oft zu einem problematischen Spielverhalten verführt. Denn das Design der Spiele ist darauf ausgelegt, die Nutzer möglichst lange an den Bildschirm zu fesseln. Das kann dazu führen, dass sie andere Bereiche ihres Lebens vernachlässigen und sich sozial isolieren. Dieser Vorwurf wurde in der Vergangenheit zwar immer wieder pauschal gegen alle Computerspiele erhoben. Allerdings geben sich viele Bezahltitel deutlich weniger Mühe, Spieler mit psychologischen Tricks zu manipulieren und zum weiterspielen zu bewegen. Im Idealfall gelingt ihnen das über eine spannende Handlung oder über ein gutes Gameplay – beides Aspekte, die in Free-to-Play-Spielen nicht im Vordergrund stehen. Immerhin: Viele Spieler lernen früher oder später ihre Lektion und halten Abstand von Free-to-play-Titeln. Dann haben sie vielleicht endlich Zeit, sich einigen der „richtigen“ Games auf ihrem Pile of Shame zu widmen. Der Weg zu dieser Erkenntnis hat aber oft viel Zeit und Geld gekostet.

 

Johann von Ti
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