Wenn Tinder für Könige des Mittelalters erdacht worden wäre, würde dieses Spiel das ganz gut repräsentieren…
Frisch aus meinem Urlaub zurück, entdeckte ich auf Steam eine kleine Indie Perle, die es mehr als verdient hat, auf Game 2 erwähnt zu werde. So erhaschte mein Blick das Spiel Reigns, welches schon vom ersten Blick interessant erschien und zeitgleich den Geldbeutel schonen würde. Doch fangen wir mal an!
Gleichgewicht und Glück
Bei Reigns handelt es sich um ein waschechtes Indie Game, welches sich grob keinem Genre zuordnen lässt. Das liegt neben dem Konzept des Spiels selbst auch an der gesamten Umsetzung. Einfach gesagt handelt es sich hier um ein Entscheidungsspiel in einem mittelalterlichen Setting. Wir sind der Monarch der Reichs und versuchen, über unser Land zu herrschen. Dabei werden wir immer wieder mit bestimmten Forderungen, Ereignissen und Angeboten konfrontiert, die wir dann entweder annehmen, oder eben auch ablehnen können. All unsere Entscheidungen haben Folgen, manche mehr, manche weniger. Entscheidend für die Dauer unserer Herrschaft sind die 4 Faktoren, die sich in Kirche, Volk, Armee und Schatzkammer aufteilen. Alle Faktoren müssen wir in einem gewissen Gleichgewicht halten, was sich zuweilen als schwierig erweisen kann. Fällt eine der Werte auf Null oder 100 (maximaler Wert) hat unsere Herrschaft ein Ende. Wird zum Beispiel die Armee zu mächtig, wird sie uns entmachten, ist die Kirche zu schwach, werden wir von plündernden Heiden vertrieben. Wir sind also immer auf der Hut, keine der Faktoren aus den Augen zu verlieren, jedoch sorgen zufällige Ereignisse für einigen Trubel.
Zustimmung oder Ablehnung
Gespielt wird mit Entscheidungskarten, zumindest würde ich diese so beschreiben. In diesen Kärtchen legen uns bestimmte Charaktere unseres Reichs und benachbarter Staaten ihre Anliegen dar, welche sich deutlich voneinander unterscheiden und recht vielfältig sind. Jedes anliegen können wir nur mit zwei Reaktionen beantworten, indem wir die Karte nach „links“ oder „rechts“ schieben. Das erinnert ganz stark an diverse Dating Apps, wobei jede Aktion hier viel größere Folgen haben kann. Dabei sind die Ergebnisse unserer Entscheidungen oft nur zu erraten, es gibt jedoch bestimmte Rätsel und Algorithmen, die wir mit der Zeit erkennen und nutzen können. So werden wir von einem bestimmten Pilz zwar nicht sterben, aber er wird uns in eine fröhlichen Rausch versetzen, der uns allerlei Quatsch sehen lässt. Während das noch recht ungefährlich ist, kann eine Jagd erfolgreich sein, aber auch schief gehen. Hat man dann keinen guten Arzt in seinen Reihen, ist guter Rat teuer. Das Spiel lässt uns also immer grob zwischen Zustimmung und Ablehnung entscheiden, „ja“ und „nein“ allein ist es zwar auch nicht, aber meist entscheiden wir uns für oder gegen etwas.
Wissen ist Macht
Neben dem Gameplay Element des Entscheidungstreffens, gibt es auch noch einen zweiten Part, welcher sie mit den Kämpfen im Spiel befasst. Treffen wir auf einen feigen Thronräuber, der sich auf einen Kampf mit uns einlässt, können wir über eine kleine Ansicht den Kampf bestreiten. Hier entscheiden wir, ähnlich wie bei den Karten, ob wir vorstürmen oder und passiv zurückbewegen. Ein wenig Glück gehört zu den Kämpfen dazu, aber mit der Zeit lernt man neue Vorstöße und Attacken, was die Kämpfe berechenbarer macht. Zudem lockern die Kämpfe das ansonsten recht eintönige Gameplay angenehm auf, sind aber nur nettes Beiwerk. Doch egal wie gut wir als Monarch auftreten, werden wir nicht vom Volk gehängt, vom Adel aus dem Land geworfen oder von einfallenden Truppen entmachtet, wird irgendwann unser Alter für das unausweichliche Ende sorgen. Nach unserem Tod, beginnt der nächste König mit seiner Regentschaft und wir treffen erneut die Entscheidungen. Im Verlauf der Jahrhunderte gewinnen wir mehr und mehr Kenntnisse über die Welt des Spiels, welche uns zwar nur über kurze Mitteilungen und einfachste Grafiken aufgezeigt wird, aber doch recht viel zu bieten hat. So können wir Kolonien in Übersee gründen, ein Verlies durchqueren oder uns auf einen Kreuzzug begeben.
Große Wirkung mit geringen Mitteln
Jetzt könnte man natürlich denken, dass die gesamte Aufmachung recht öde und langweilig sein müsste. Doch hier möchte ich klar widersprechen: Das Spiel schafft es, mit diesen extrem einfachen Mitteln den Spieler in diese Welt zu ziehen. Die Last, beständig Entscheidungen zu treffen, ist markant für das Spielgefühl und besonders am Anfang sehr spannend. Je länger man spielt, und man kann tatsächlich einige Stunden in Reigns verbringen, desto besser kennt man sich aus und kann geplanter vorgehen. Dennoch tauchen auch nach Stunden noch neue Karten auf, die wiederum neue Handlungsstränge eröffnen. Die Suche nach dem Gral, der Fluch des Teufels, Altersschwäche. Immer passiert etwas und wir müssen schauen, wie wir damit klar kommen. Natürlich kann man jetzt nicht erwarten, ein interaktives Buch zu spielen, so umfangreich ist Reigns nicht aufgebaut. Dafür macht es aber verdammt Spaß und weiß einige Stunden zu unterhalten, wer allen Geheimnissen auf die Schliche kommen will, sollte sogar einiges an Zeit und Geduld einplanen.
Fazit
Besonders hat mir, neben der intelligenten Aufmachung der Entscheidungen, auch die optische Umsetzung gefallen. Sehr simpel gehalten, aber dennoch stimmig bis zum Ende. Untermalt werden die Kärtchen mit Geräuschen der jeweiligen Charaktere, die gut zum gesagten passen. Auch die Soundkulisse tut ihr übriges und macht Reigns zu einem spaßigen Erlebnis für zwischendurch. Tinder für Monarchen des Mittelalters – Gut durchdacht und für den Preis unschlagbar. So kostet die Indie Perle auf Steam 3 Euro.Weiterhin ist das Game natürlich auf für iOS und Android Geräte verfügbar, wer also den vollen Tinder Charme genießen will, kann auch auf seinem Smartphone spielen. Natürlich kann man streiten, ob es nicht auch etwas weniger sein könnte, immerhin wiederholen sich die Karten recht schnell (trotzdem kommen recht lange neue hinzu). Doch der Preis ist gerechtfertigt, denn jede Entscheidung hat Folgen und oft erschließen sich ganz unterschiedliche Möglichkeiten, Situationen anzugehen. Ich hatte jetzt schon 4 Stunden viel Spaß mit Reigns (es werden noch mehr werden) und das ist mehr, als so mancher Titel für 50 Euro zu bieten hat. Daher kann ich Freunden des Konzeptes des Spiels nur raten, sich das Herrschen einmal selbst anzutun und fleißig Entscheidungen zu treffen. Ich für meinen Teil, muss mich noch um einen Fluch kümmern…
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