Was kann ein einfacher Bauer im feudalen Japan schon erreichen? In Sengoku Dynasty eine Menge und noch viel mehr, wenn euch ein treuer Kollege unter die Arme greift. Im Aufbau-Rollenspiel sammeln wir Ressourcen, craften Werkzeuge und errichten eigene Siedlungen – mit einem guten Freund habe ich mich zum Release der Version 1.0 direkt in den Koop geworfen und gemeinsam haben wir ein Dorf errichtet, wurden von Bären gefressen und haben uns verliebt.
Moment mal, noch ein Dynasty? Das gibt’s doch als Mittelalter-Spiel! Das war mein Gedanke, als ich erstmals von Sengoku Dynasty hörte. Und wer auf Steam schaut, findet von Publisher Toplitz Productions ein ganzes Dynasty-Franchise, welches unterschiedliche Schwerpunkte und Epochen abdeckt:
Farmer’s Dynasty (2019, von UMEO Studios)
Lumberjack’s Dynasty (2021, von UMEO Studios)
Medieval Dynasty (2021, von Render Cube)
Wild West Dynasty (2024, von Moon Punch Studio)
Sengoku Dynasty (2024, von Superkami)
Diese Aufbauspiele bedienen ähnliche Mechaniken und spielerische Ansätze, schwanken allerdings stark in Qualität und Setting. Positiv hervorgetan hat sich in meinen Augen Medieval Dynasty, welches ich als interessantes Aufbauspiel im Mittelalter wahrgenommen habe. Mit Sengoku Dynasty geht es nun ins feudale Japan und ich schildere euch, auf was ihr euch beim Aufbau-Rollenspiel einstellen könnt!
Das Königreich der Bauern
Der Spieltitel verrät bereits viel zum Schauplatz des Aufbauspiels. Als Sengoku-Zeit wird ein Abschnitt der japanischen Geschichte bezeichnet, die besonders von blutigen Bürgerkriegen geprägt war. Datiert wird die Periode etwa von 1477 bis 1573 und endet in der Epoche der Reichseinigung.
Wir schlüpfen in die Rolle eines Bauern, der vor der Willkür der Herrscher und den Launen des Krieges floh. Nach einer stürmischen Nacht stranden wir an einer unbekannten Küste, wo unser Abenteuer beginnt. Ohne Ausrüstung oder Nahrung müssen wir unseren Platz in der Open World erst noch finden … oder selbst schaffen.
Wie gut läuft der Koop?
Bevor es richtig losgeht, klären wir die Koop-Frage, denn Sengoku Dynasty spielt ihr am besten gemeinsam mit euren Freunden.
Bis zu vier Spieler können im Multiplayer zusammenspielen. Der Host kann seinen Spielstand im Koop laden und Freunde über einen Einladungscode dazu holen. Der Gast erstellt schnell seinen Charakter und landet sogleich in der Spielwelt.
Wir haben im Duo gebaut, was gut funktionierte. Die Performance war bei mir als Host fast immer ausgezeichnet, mein Koop-Partner hatte allerdings mehrmals mit Laggs zu kämpfen, die den Spielfluss allerdings nicht zu stark beeinträchtigten.
Bei einer hohen Anzahl von NPCs brechen die FPS dann aber spürbar ein, etwa bei besonders großen Banditenlagern. Insgesamt hatten wir drei Abstürze, die Dank der automatischen Speicherung aber verschmerzbar blieben.
Im Koop baut ihr immer als Team und tüftelt gemeinsam an euren Dörfern. Ihr könnt also nicht direkt jeweils ein eigenes Dorf errichten, sondern arbeitet zusammen an eurer Dynastie. Aufgaben lassen sich allerdings gut aufteilen, sodass ihr im Koop deutlich effektiver und schneller vorankommt.
Survival auf Sparflamme
Die Spielmechaniken von Sengoku Dynasty sind selbsterklärend: wir starten mit Nichts, sammeln Ressourcen, basteln Ausrüstung und bauen unser Lager.
Crafting: Einfache Werkzeuge wie Steinaxt, Spitzhacke oder Holzhammer bauen wir mit bloßen Händen. Ein paar Stöcke aufgelesen, Steine eingesackt und schon können wir unseren ersten Baum fällen. Ihr kennt es.
Hunger: Unseren Magen füllen wir zunächst mit Beeren, Pilzen und Kräutern, später bauen wir Reis an, jagen Wild oder gehen Fischen.
Kämpfe: Das Kampfsystem ist funktional, aber spaßig. Im Nahkampf verteilen wir mit Messern oder Katana schwere sowie leicht Schwinger und weichen Angriffen aus oder blocken sie. Im Fernkampf schleudern wir Speere oder schießen mit dem Bogen.
Die Überlebensmechaniken sind seicht aufgestellt. Essen müssen wir nicht mühsam suchen und auch Kälte oder Krankheiten sind für uns selbst kein Problem. Und Dank der miserablen Wegfindung unserer Gegner bieten auch Kämpfe keine große Herausforderung.
Außer ihr trefft unerwartet auf eine Horde Schwarzbären – die haben uns gleich mehrfach zum Frühstück verputzt. Der Tod wird allerdings nicht hart betraft. Wir spawnen im Dorf und verlieren lediglich etwas Gold und Nahrung.
In Sengoku Dynasty steht das Bauen und Verwalten im Vordergrund und das ist auch gut so.
Ein Haus, ein Dorf, eine Dynastie
Mit dem Hammer in der Hand geht es plötzlich ganz schnell: In den Bergen finden wir einen schönen Ort zum siedeln und hämmern ein paar Gebäude in die Wildnis. Einfache Wohnhütten, ein Rohstofflager und eine Werkstatt stehen in Windeseile am Berghang und bilden schon bald ein malerisches Bergdorf.
Jeder neue Gegenstand den wir basteln oder Gebäude, welches wir errichten, steigert unsere Dynastie-Legende. Je höher das Level, desto mehr Bewohner können in unserer Siedlung untergebracht werden, was zugleich auch die Ansprüche unserer Dörfler steigert.
Die NPC-Kollegen sind ebenfalls Flüchtlinge, die wir in der Open World auflesen und in unsere Gemeinschaft einladen. Bieten wir den Kerlchen Obdach und Nahrung, schuften sie im Dorf für uns. Später müssen wir ihnen auch Medizin bieten, Luxus zur Verfügung stellen und religiöse Bedürfnisse befriedigen.
Die fleißigen Arbeiter sammeln dann täglich Ressourcen, sodass wir die Versorgung des Dorfes schrittweise automatisieren und Bauprojekte schneller realisieren können. Dieses Wirtschaftssystem erinnert mich an Die Gilde, präsentiert sich allerdings oberflächlicher.
Bei der Verwaltung geht noch mehr
Zunächst lassen wir unsere Dörfler einfach Steine und Stöcke sammeln, später schürfen sie Kupfer, fällen Bäume und bewirtschaften Felder. So lassen sich im Dorf sogar einfache Produktionsketten umsetzen.
Gewöhnungsbedürftig ist allerdings der Produktionsablauf, der nicht live stattfindet. Stattdessen landen jegliche Erträge erst gegen Ende eines Tages im Lager, sodass Produktionsketten erst am folgenden Tag in Gang kommen oder auf unsere händische Zulieferung angewiesen sind.
Auch ist die Verwaltung etwas unübersichtlich und steif. Über verschachtelte Menüs können wir Arbeiter und Arbeitsplätze einstellen, verlieren aber zu schnell den Überblick über Produktion und Bedarf. Wenigstens teilen sich unserer Dörfer später das Dynastie-Lager, sodass wir sie leichter spezialisieren und aufeinander abstimmen können – das ist angenehm.
Die wichtigsten Stellschrauben für Arbeitsleistung und Erträge bilden die Qualität der Werkzeuge und unsere Charakterfertigkeiten, die nicht nur unsere Leistung, sondern auch die Effektivität unserer Arbeiter steigern.
Unserer Dörfler besitzen wiederum keine Spezialisierungen, sondern sind schlicht Alleskönner, die lediglich Arbeitsplatz und Werkzeug benötigen. Dadurch baut sich allerdings auch keinerlei Beziehung zu unseren Bewohnern auf, da sie sich weder optisch noch durch ihre Fähigkeiten voneinander unterscheiden – schade, hier hatte ich mir mehr erhofft.
Oh wie schön ist das feudale Japan
Sengoku Dynasty bietet eine überschaubare Open World, die sich ansehnlich präsentiert.
Am Anfang stapfe ich die felsigen Küstenabschnitt entlang, durchstreife schon bald einen hügeligen Bambuswald und stoße später auf weite Wiesen mit Pampasgras. Optisch kann die Aufbausimulation zwar nicht mit einem Ghost of Tsushima mithalten, dennoch erfreue ich mich immer wieder an den wunderschönen Landschaften.
Hier steht ein kleiner Tempel umrandet von lieblichen Kirschblütenbäumen, dort finde ich eine heiße Quelle samt idyllischen Badehaus. Auch sonst schalte ich gerne mal das HUD aus, um die Landschaften auf mich wirken zu lassen und lasse meinen Blick über den Bildschirm schweifen.
In der offenen Spielwelt finden wir kleine Dörfer, abgelegene Banditenlager oder versteckte Minen. Zudem stoßen wir auf unserer Erkundungen auf einige Spezial-Bauplätze, an denen wir besondere Gebäude wie einen Leuchtturm oder eine Brücke errichten lassen können.
Dennoch wirkt die Spielwelt weitestgehend wild … und dabei auch etwas leer. Obwohl es durchaus optische Höhepunkte gibt, durchstreifen wir die Regionen schon bald auf Autopilot oder nutzen die Schnellreise. Das liegt auch daran, dass es insgesamt an Abwechslung mangelt und wir uns an den Modellen im Spiel zu schnell sattsehen.
Die Jahreszeiten sind da eine willkommene Abwechslung und beeinflussen zudem Produktion und Bedarf unserer Dörfler.
Story und Quests als Fortschrittstreiber
In der Spielwelt stoßen wir auf NPCs, die uns mit einfachen Quests und Handlungsfragmenten versorgen. Das funktioniert aber eher als Leitplanke für unseren Fortschritt, erwartet also keine spannenden Missionen oder packende Dialoge.
Jagen gehen, ein gekochtes Ei im Tempel opfern und ein paar Dialogzeilen, mehr ist es nicht. Über die kleinen Aufgaben schalten wir allerdings frische Rezepte frei oder werden an neue Mechaniken herangeführt, sodass wir diese Quests befolgen müssen, um im Spiel voranzukommen.
Eine richtige Story wird nicht erzählt, aber besondere Begegnungen und Momente werden im Stil japanischer Tuschezeichnungen präsentiert und die Dialoge vermitteln zumindest Wissen zur Kultur Japans, der Geschichte der Region und dem traditionellen Handwerk.
Durchaus schade, gerade weil ein übergeordnetes Questsystem mit starken Charakteren und einprägsamen Missionen dem Gameplayloop gutgetan hätte. So bleiben die NPCs zu leblos und sind, abseits der freundlichen Händler und wichtigen Entscheider auch völlig belanglos.
Insgesamt wäre erzählerisch also deutlich mehr möglich und nötig gewesen, um dem eigenen Siedlungsbau mehr Bedeutung innerhalb der Welt zu verschaffen. Es gibt allerdings zwei Lichtblicke:
Das Familiensystem: Hier dürfen wir einen Dörfler anflirten und starten so eine Questreihe. Blumen Suchen, ein schönes Abendessen und schon steht die kostspielige Hochzeitsplanung an. Dabei kleiden wir unsere Auserwählte auch neu ein, sodass diese zumindest optisch hervorsticht. Später können wir dann auch Nachwuchs zeugen.
Das Daimyō-System: Die Spielwelt ist in Regionen eingeteilt, die unterschiedliche Rohstoffe bieten. Wollen wir diese besonderen Ressourcen erlangen, müssen wir die Region zunächst befreien. Das schaffen wir nur, wenn wir spezielle Bauprojekte abschließen oder Feinde bekämpfen. Eine befreite Region spendiert uns zusätzlich wertvolle Punkte für unsere Dynastie und schaltet weitere Rezepte frei.
Beide Systeme sind zwar noch recht einfach gehalten, doch davon hätte ich gerne noch viel mehr gesehen. Es zeigt, dass die Entwickler ihre Spielmechaniken weiter verzahnen und ausbauen wollen, was in meinen Augen genau der richtige Ansatz ist.
Superkami kündigte bereits eine kleine Roadmap für die Zeit nach dem Release von 1.0 an. Unter anderem sind folgende Inhalte geplant:
Ein neue Karte
Zufällig generierte Missionen
Überfälle
Erben-System
Jahreszeiten-Herausforderungen
Neue Tiere
Ausbau des Religion-Systems
Performance-Optimierung
Stimmungsvolles Dorfbauen als Herzstück
Das Herzstück von Sengoku Dynasty ist für mich das Bauen der Dörfer. Der wilden Landschaft seinen Stempel aufzudrücken und sich einen Platz in der Welt schaffen. Das funktioniert hier nicht nur hervorragend, es sieht auch fantastisch aus.
Obwohl wir unsere erste Siedlung mal eben zusammengezimmert haben, fügen sich die ansehnlichen Gebäude organisch in die Berglandschaft. Wir verausgaben uns richtig, als wir kleine Pfade anlegen, unsere Häuser einrichten und einfache Weidenzäune errichten.
Das Schönbauen wird für uns zum zentralen Spielelement, für das wir gerne etwas mehr Zeit aufwenden und auch Gebäude errichten, die wir vielleicht gar nicht brauchen. Ein kleiner Schrein am Wegesrand? Ein stattliches Haus an der Spitze des Hügels? Weitere Felder am Rand der Siedlung? Wir ackern wie wild und erfreuen uns am stetigen und belohnenden Fortschritt unserer Dörfer.
Fazit: Ein bunter Genre-Mix, der Lust auf mehr macht
Sengoku Dynasty ist eine spannende Mischung aus Aufbausimulation, Survival und Rollenspiel. Dabei vereint es viele grundlegende Aspekte der jeweiligen Genre, geht dabei aber noch zu selten in die Tiefe.
Der Reiz liegt allerdings in der Verquickung der verschiedenen Mechaniken. Die Welt erkunden, Rohstoffe sammeln, Level aufsteigen, Rezepte freischalten, Dörfer errichten, Produktionen verwalten, Feinde bekämpfen, Regionen befreien.
Besonders im Koop entsteht so der typische Aufbausog, der uns für gut 20 bis 35 Stunden gepackt hat. Danach lässt die Wirkung nach, weil wir die Welt dann weitestgehend entdeckt und die meisten Gebäude freigeschaltet haben. Produktionen und Bauprojekte im Endgame werden dann auch immer umfangreicher und erfordern mehr Grind, der uns weniger motivierte.
Sengoku Dynasty wichtigste Features:
Vorteile:
stimmungsvoller Aufbauspaß im feudalen Japan
spannender Mix aus Aufbau, Survival, Verwaltung und Rollenspiel
optisch ansprechende Spielwelt mit Tages- und Jahreszeitenwechsel
viele Rezepte, Einrichtungsgegenstände und Gebäude
spaßiger Koop-Modus für bis zu vier Spieler
Nachteile:
Welt wirkt noch zu leer, keine Nutztiere
Steuerung und Animationen etwas hakelig
Story, Quests und Familiensystem bleiben oberflächlich
Verwaltung besitzt gute Ansätze, könnte aber überschaubarer sein
sehr eingeschränkter Charakter-Editor
Insgesamt präsentiert sich Sengoku Dynasty 1.0 als mutiges Aufbauspiel, welches viele interessante Konzepte bietet und einfach Lust auf mehr macht. Wer nach Feierabend ein paar entspannte Stunden mit einem guten Freund im feudalen Japan bauen möchte, wird hier bestens bedient.
Damit Sengoku Dynasty allerdings zum Aufbau-Geheimtipp wird, müssen die Entwickler auch nach 1.0 weitermachen und für mehr Tiefgang sorgen. Besonders Story, Welt und NPCs besitzen noch viel ungenutztes Potenzial, welche die vorhandenen Spielmechaniken perfekt abrunden und für mehr Abwechslung sorgen könnten.
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