Kunst hat zahllose Gesichter und eines dieser Gesichter stellen Games dar!
Es ist ganz interessant: Die Welt der Medien kennt viele Genres der Kunst: Musik, Film die Malerei sind nur einige davon, uns wohl am ehesten bekannt. Während also diese medialen Erzeugnisse als Formen der Kunst gesellschaftlich akzeptiert und anerkannt sind, führen Videospiele immer noch ein Dasein als Sündenbock für diverse gesellschaftliche Probleme. Neuestes Beispiel ist die „Scheindebatte“ zum Thema „Killerspiele“ im Zusammenhang mit dem schrecklichen Amoklauf in München. Natürlich hatte der 18 Jährige einen ganz gefährlichen Shooter auf dem heimischen Rechner, aber ehrlich mal: Bei welchem Jugendlichen würde man diese Spiele nicht finden? Shooter verkaufen sich nun mal Millionenfach auf der ganzen Welt, wieso sollte es also ein Kriterium sein, dass ein Mensch schreckliche Taten begeht? Genauso könnte uns, folgen wir dieser Argumentation, auch ein Kriegsfilm, eine Lied mit harten Texten oder ein Geschichtsbuch beeinflussen und zu solchen Taten treiben. Und wenn man ehrlich ist: Vor der allgemeinen Anerkennung hat man auch diesen Medien gerne gesellschaftliche Probleme in die Schuhe geschoben: Der Konsum von Büchern würde jungen Menschen vereinsamen lassen, Gewalt beinhaltende Rock und später Rap-Musik würde die Jugend verderben und große Action-Film Produktionen oder Cartoons Kinder verdummen. Videospiele stehen also nicht alleine da.
Videospiele als junges Medium
Doch der Unterschied ist eben das Alter: Musik, Bücher und Filme gibt es schon ewig, Videospiele als solche nicht. Doch ihre Tradition ist uralt. Spiele gab es schon vor tausenden Jahren: Im alten China wurden erste Spiele im großen Stil verbreitet, wie das Zahlenlotto Spiel Keno (große Ähnlichkeit zum heute bekannten Bingo) oder der Vorläufer des Schachs Chaturanga, welches seinen Ursprung wohl in Indien hatte. Gespielt wird also schon lange, doch der Faktor der digitalisierten Darstellung, welche mit der Zeit immer plastischer, realistischer wurde, ist eine recht junge Entwicklung. Entscheidend für Kritiker des Genres ist genau dieser Punkt der Darstellung, welcher den Spielern unterstellen, nicht mehr zwischen Spiel und Realität unterscheiden zu können, die Unterschiede nicht mehr aktiv wahrnehmen zu können. Doch ist das natürlich ziemlicher Quatsch, denn egal wie realistisch die Darstellung sein mag, jeder Spieler ist sich ganz klar bewusst, dass seine Taten im Spiel nicht denen der echten Welt entsprechen, er eben aktiv spielt. Bei einem Schachspiel denkt man ja auch nicht daran, ein gegnerisches Volk zu vernichten und „unschuldige“ Bauern in den Tod zu schicken, um die eigenen Ziele zu erreichen. Primär spielt man Schach und wendet die Möglichkeiten des Spiels an, um zu gewinnen. Der Rest dabei eher nebensächlich, nicht im Fokus. Das ist auch in Videospielen der Fall, auch wenn hier viel weniger Vorstellungskraft benötigt wird, um ein Szenario erkennen zu lassen. Der „Bauer“ ist eben keine einfache, schmucklose Figur mehr, sondern wird zum Beispiel durch eine fein animierten Spielfigur dargestellt, die wir aktiv steuern (so zum Beispiel in einem Shooter). Doch das ändert nichts daran, dass es nicht ums „töten“ geht, sondern um das Spiel selbst. Man weiß, dass niemand bei dem Spiel zu Schaden kommt, es nur Pixel auf dem Bildschirm sind. Daher ist die ganze „Killerspiel“ Diskussion überflüssig, denn Spiele an sich haben nicht den Einfluss, denen man ihnen gerne zuschieben würde.
Filme und Games
Doch warum gelten Videospiele nicht als Kunst? Warum werden sie zuweilen noch so massiv begrenzt? Die Darstellung des Hakenkreuzes ist in einem Videospiel ist in Deutschland verboten, weil es sich dabei natürlich um ein Verfassungsfeindliches Symbol handelt. Das ist soweit auch in Ordnung und ich bin nicht scharf drauf, in diversen Spiel mit diesem Zeichen belästigt zu werden. Doch in Filmen, auch in großen Hollywood Produktionen, ist die Darstellung des Symbols erlaubt, mit dem Argument, dass dies Zeichen zur historisch korrekten Darstellung der Geschichte gehören und daher in diesem Falle gezeigt werden dürfen. Auch das ist für mich logisch: Doch in einem Videospiel, welches eben ganz klar das historische Setting des „Dritten Reichs“ bedient, ist es in Deutschland weiterhin verboten, dass und andere betreffende Symbole zu zeigen. Warum ist das so? Denn das ganze erfolgt ja ohne Ausschlussverfahren, sondern mit der einfachen Gesetzmäßigkeit: Film ja, Videospiel nein. Egal, ob der Film nun eher auf Action als auf historische Korrektheit setzt, oder das Spiel eben klar einen historischen Hintergrund liefert. Das ist für mich nicht nachzuvollziehen, soll aber nur ein Beispiel der eigentlichen Problematik sein. Ein Film ist eben Kunst und stellt mit seiner Dramaturgie, seinen Bildern, seinen Charakteren und seiner Geschichte Kunst dar. Doch warum wird Videospielen dieser Anspruch verwehrt?
Interaktion als Ausschlusskriterium
Ein Argument, welches in diesem Zusammenhang oft eingeworfen wird, bezieht sich auf die Interaktion in einem Videospiel. Doch greift das nicht wirklich, denn auch mit Musik wird interagiert. Man tanzt dazu, verändert sie (Remix) und besucht Konzerte. Eine auf verschiedensten Weisen auftretende Interaktion. Ähnliches finden wir bei Filmen und in der Malerei. Die Interaktion in einem Videospiel ist natürlich offensichtlicher, gewollter. Doch für mich ist das ein ganz wichtiger Faktor, den Spielen eine künstlerische Berechtigung zuzusprechen. Interaktive Kunst eben, wie ein Bild, in welchem wir umherlaufen. Videospiele sind für sich Kunstwerke, die sich ganz unterschiedlich präsentieren und verschiedenste Stile bedienen. Wer sich allein die Menge an verschiedensten visuellen Darstellungsmöglichkeiten diverse Spiele anschaut, wird einsehen müssen, wie groß allein dieser Faktor ist. Und da hört ein Videospiel noch lange nicht auf: In einem Videospiel kommen Faktoren der bildlichen, digitalen Darstellung, musikalischen Untermalung, erzählerischer Rahmenhandlung, spielerischer Umsetzung und vielen weiteren zusammen. Jedes Game hat seinen eignen Stil, seine eigene Soundkulisse, schafft andere, bildgewaltige Eindrücke. Das ist genau das, was ich unter der Kunst verstehe. Sie schafft etwas neues, welches dem Menschen in einer gewissen Weise berührt. Und in meinen Augen berühren uns Videospiele auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Mal spielerisch, mal durch die optische Darstellung, mal emotional – Viele Spieler sind bei einem guten Rollenspiel völlig von der Handlung gebannt oder sind von ganz neuen Spielkonzepten tief berührt. Ich verweise hier oft auf das Indie Games wie Journey oder Flower, welche mich besonders beeindruckten. Doch solche Spiele sind längst keine Ausnahme: Besonders der Trend der Indie Games hat viel frischen Wind in die Videospiel Welt gebracht und eben auch mehr „künstlerische“ Energien, sodass mehr und mehr digitale Kunstwerke geschaffen werden.
Fazit
Warum führen wir also Diskussionen, die Videospiele unter Generalverdacht stellen, verkennen aber ihre Bedeutung als wichtige Kunstform? Ich finde, dass wir uns auch stark dafür einsetzen sollten, Videospielen genau diese Form der gesellschaftlichen Etablierung zu verschaffen, denn für viele Menschen der heutigen Zeit sind Videospiele ein wichtiger Bezug zur Kunst, auch wenn diese es gar nicht so wahrnehmen.
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