Das Setting ist frisch, der Umgang damit leider nicht…
Meine Güte – Ich hatte ja kaum daran geglaubt, aber tatsächlich erschien seit langem mal wieder ein Battlefield, welches mal nicht scheiße war und tatsächlich verdammt viel richtig macht. Battlefield 2 oder Battlefield 1942 bleiben zwar weiterhin unerreicht, aber immerhin hat man scheinbar endlich aus den Fehlern der jüngsten Vergangenheit gelernt und weder Mehrspieler noch die Kampagne völlig in den Sand gesetzt – Ein Fortschritt! Doch leider ist neben der innovativen Idee des recht unverbrauchten Setting des Ersten Weltkrieges nicht alles Gold, was brachial inszeniert daherkommt. Denn Battlefield Eins verschenkt so unglaublich viel Potenzial, dass es irgendwie zum heulen ist – Doch um das zu erklären, will ich hier ein wenig ausholen…
Superhelden statt Soldaten
Der Erste Weltkrieg ist als Setting eines Shooters eine grandiose Grundlage, immerhin gibt es bis heute nur eine kleine Gruppe von Spielen (zum Beispiel Verdun), die sich überhaupt an den „Krieg der alle Kriege beenden sollte“ herangewagt haben – Überraschend mutig von DICE bzw. EA, dass man das durchgezogen hat. Doch leider hat man sich fernab des Settings kaum gewagt, von gängigen Konventionen abzuweichen, was besonders in der Kampagne deutlich auffällt. Mir ist dabei klar, dass die Battlefield Reihe nicht für starke Singleplayer Kampagnen steht und die Serie lange Zeit völlig ohne diese Ambitionen auskam – Dennoch wird eine Kampagne geboten, weshalb man diese auch betrachten sollte. Und bevor ich wieder meckere: Tatsächlich hat man sich gesteigert und die Kampagne ist tatsächlich spielbar und macht sogar Spaß! Das war in der Vergangenheit leider anders, besonders die Battlefield 3 Kampagne glänzte mit langweiligen, uninspirierten und stupiden Gameplay ohne wirkliche Highlights. In Battlefield 1 hat man sich von allem Firlefanz verabschiedet, der potenziell stören könnte, was dem Spiel unheimlich zugute kommt. So haben wir nun keine zusammenhängende große Story die erzählt wird, sondern episodenhafte Abschnitte verschiedener, voneinander unabhängiger Protagonisten, die wiederum auf verschiedenen Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges kämpften. Das ganze erinnert dabei am ehesten an die Inszenierung der Kampagne in Call of Duty 2. Die einzigen Inhalte zu den Protagonisten sind einige Randinformationen, so spielen wir in der ersten Abfolge der 6 möglichen Missionen einen ehemaligen Chauffeur, der als Panzerfahrer in den Ersten Weltkrieg eintritt und sich als Frischling einer alteingesessenen Panzer-Besatzung behaupten muss. Leider haben alle Missionen ein Problem: Mit den „Kameraden“ im Spiel wird nicht gearbeitet – Meist sind diese lediglich in Zwischensequenzen zu sehen, spielen wir, sind wir eine Einmann-Kampfmaschine und mischen die Gegner im Alleingang auf. Ob wir nun eine Panzerschlacht im Alleingang meistern oder eine ganze Wüstenfestung stürmen – Wir „ballern“ uns einen Weg zum Sieg ohne Rücksicht auf Verluste. Wirklich peinlich wird es für mich, wenn wir im Zusammenhang der Flieger-Mission aus unserem Flugzeug springen, auf einem deutschen Zeppelin aufschlagen, überleben und dann vom „Rücken“ des Luftschiffs ein anderes Luftschiff vom Himmel schießen – WTF.
Helden sterben doch nicht
Dabei beginnt Battlefield 1 beim Start direkt mit einem Prolog, der uns etwas völlig anderes verspricht: So werden wir beim ersten Starten des Shooters direkt auf ein Schlachtfeld des Ersten Weltkrieges geworfen, auf dem wir, egal wie gut wir sind, umkommen (spätestens nach einer gewissen Zeit durch einen Trigger). Sterben wir, wird der Name eines Soldaten eingeblendet, mit Geburts- und Sterbedatum. Direkt danach setzt das Spiel wieder ein und wir spielen einen anderen Soldaten, der an anderer Stelle der Front um sein Leben kämpft. Wieder folgt ein unausweichlicher Tod, es beginnt von vorne. So spielen wir die virtuellen Leben einer Reihe von Soldaten durch, die in den Irren des Grabenkrieges keinen Wert zu haben scheinen. Das Spiel suggeriert, dass der einzelne Soldat in diesem Krieg kein wichtiger Faktor war, sondern letztlich am ehesten um sein eigenes Leben kämpfte. Trotz der Death Trigger, auf die man gut und gerne hätte verzichten können, macht Battlefield 1 hier so viel richtig, dass das was danach kommt, einfach nur heuchlerisch daherkommt. Zuerst wollen sie Dir zeigen, dass im Krieg alle Soldaten nur unbedeutende Schachfiguren waren, die auf den Befehl anderer auf den Schlachtfeldern verbluteten, und dann kommt die Kampagne mit irgendwelchen Soldaten, die im Alleingang ganze Armeen niedermähen und scheinbar unbesiegbar alle Schrecken des Krieges überleben. Ein Beispiel: In der Panzer-Mission bleibt der Tank im Morast stecken, während Deutsche Soldaten drauf und dran sind, diesen zu kapern. Für den Panzer-Offizier, unseren Vorgesetzten, gibt es nur eine Lösung: Mit einer Taube wird der verbündeten Artillerie mitgeteilt, dass die Position des Panzers unter Beschuss genommen werden soll, damit das Kriegsgerät nicht in die Hände der deutschen fällt. Doch statt dass man nun das tragische und sinnlose Ende der Besatzung durch Eigenbeschuss der Artillerie darstellt, übersteht der Panzer den Beschuss, während alle feindlichen Soldaten zerfetzt werden. Warum? Warum wird dieses Potenzial verschenkt? Klar: Dadurch kann man einen Helden spielen, die im Verlauf der Mission noch gefühlt 200 Feindpanzer ausschaltet und zig mal nur knapp dem Tod entkommt.
Feindbilder sterben auch nicht
Und genau so geht es in allen folgenden Missionen weiter: Die Soldaten der Entente, die wir übernehmen, räumen beständig im Alleingang feindliche Stellungen und sterben nicht. Wir sind der gute Held und besiegen die Bösen. Noch so ein Punkt: Statt den Krieg von beiden Seiten zu beleuchten, kämpfen wir nur für die Kräfte der Entente. Als Brite, Amerikaner oder Italiener hauen wir also Deutschen, Österreichern und Osmanen auf den Kopf. Auch hier unendlich viel Potenzial verschenkt: Warum stellt man nur eine Seite dar, wenn es in diesem Krieg doch eben kein „gut“ oder „böse“ gab? Nachfolgend auf der einen und dann auf der anderen Seite zu stehen, hätte den Gedanken der Sinnlosigkeit des Krieges tiefgründig aufzeigen können, ohne das Gameplay zu beschneiden. Doch stattdessen hat man eben einfach die glorreichen Briten und Amerikaner in den Mittelpunkt gestellt, wie man es eben aus allen bekannten WW2 Shootern kennt. Einfach nur schade, nimmt man dem Spiel so eine entschiedene Ebene.
Setting neu, Gunplay lieber nicht
Der nächste Punkt schadet besonders dem Mehrspieler, macht sich zu Teilen aber auch in der Kampagne bemerkbar: Die Waffen im Spiel. Der Erste Weltkrieg sollte zwar die moderne Kriegsführung maßgeblich verändern, aber dennoch sahen die Schlachtfelder in den Jahren 1914 – 1918 etwas anders aus, wenn wir die Bewaffnung des einfachen Soldaten betrachten. So hat man den Shooter recht klassisch mit einer Vielzahl von Voll- und Halbautomatischen Waffen bestückt, was einfach an der Realität vorbeigeht. Natürlich muss man zugunsten des Gameplays immer auf bestimmte Punkte in Sachen Realismus verzichten, doch leider spielen sich die MPs und Sturmgewehre wie in jedem Shooter der letzten Jahre. Der Erste Weltkrieg als Setting hat dann lediglich einen optischen Effekt, spielerisch ändert sich nichts. Das ist extrem Schade, denn das Gameplay verkommt in großen Teilen zu einem Battlefield 4. Mehr Bolt-Rifle Action hätte dem Gameplay sicherlich mehr Tiefe verliehen, sodass man tatsächlich auch ein frisches Spielerlebnis generiert hätte.
Fazit
Damit möchte ich zum Abschluss kommen: Battlefield 1 hätte mit dem frischen Setting die Möglichkeit gehabt, die beste Kampagne eines Shooters der letzten Jahre überhaupt zu schaffen und den Mehrspieler mit innovativen, tieferen Gameplay zu bereichern. Aber nachdem man bei der Wahl des Settings so mutig war, hat man sich ansonsten lieber auf altbekanntes versteift und fährt die gleiche Schiene wie immer. Damit ist Battlefield 1 insgesamt, sowohl im Mehrspieler als auch der Kampagne, trotzdem ein guter Shooter und macht, besonders mit einem Blick auf Hardline, sehr viel richtig und besser, was in den Vorgängern schief lief. Dennoch bekommt man den Bogen nicht geschlagen, um wirklich Innovation in unsere Shooter Landschaft zu transferieren. Das ist wirklich unendlich schade und ich würde so gerne ein perfektes Battlefield 1 spielen, denn viele der Ansätze sind so cool, dass man einfach auf mehr hofft. Der Prolog ist einfach grandios, aber ab da geht es in Sachen Atmosphäre und „authentischer“ oder „respektvoller“ Darstellung des Krieges bergab und man verkommt zu einem beliebigen Shooter heutiger Zeit, mit frischem Anstrich. Lediglich im Vergleich zu den Kampagnen der Vorgänger macht Battlefield 1 eine wirklich gute Figur, ansonsten findet man in dem Einzelspieler recht bombastisch in Szene gesetzte Mehrspieler-Gefechte mit ein wenig Backround der Protagonisten. Nicht schlecht, aber weit unter den Möglichkeiten. Gleiches gilt für den Mehrspieler, der durch die Waffenauswahl viele Möglichkeiten etwas „neu“ zu machen vergibt, dafür aber trotzdem Spaß macht. Je nach Map kommt es nämlich zu wirklich packenden Gefechten, was man dem Spiel einfach zugutehalten muss – Battlefield 1 macht im Mehrspieler nämlich verdammt viel Spaß und sieht insgesamt optisch wirklich gut aus. So oder so: Wer in den vergangen Jahren gerne den Mehrspieler von Battlefield gezockt hat, wird in Battlefield 1 glücklich werden und packende Gefechte auf „echten“ Schlachtfeldern austragen. Hier hat man sich in meinen Augen noch mal in Bezug auf Battlefield 4 gesteigert. Wer auf eine starke Kampagne mit authentischen Bezug zum Ersten Weltkrieg gehofft hat, wird wohl klar enttäuscht werden – Die Kampagne ist zwar nett, aber weiterhin nur Beiwerk für das Herzstück – Den Multiplayer. Innovation nein, ein guter Shooter durchaus.
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