Warum eine gut erzählte Geschichte so wichtig ist!
Als ich neulich meinen bestimmt zwanzigsten Anlauf zum Durchspielen von Gothic 2: Die Nacht des Raben gewagt habe und nun schon in Kapitel drei angelangt bin, habe ich mit gewisser Überraschung festgestellt, wie sehr mich dieses Spiel, diese Welt immer noch in seinen Bann ziehen kann. Ich kenne die Welt so gut wie mein eigenes Zimmer und viele Tricks, Wege und spezielle Quest Reihen, sodass ein erneutes Spielen eigentlich total langweilig sein sollte. Doch Gothic 2 bietet einige Mechaniken bzw. Gameplay-Elemente, die den Wiederspielwert enorm hochhalten und gleichzeitig für die tiefe Atmosphäre auch beim Xten Durchspielen sorgen. Doch was macht Gothic 2 so gut, was andere Spielen, besonders Rollenspielen fehlt?
Gothic ist immer gut
Ich weiß nicht wie es Euch geht; Aber besonders Rollenspiele bieten sich nur selten zum mehrmaligen durchspielen an. Ist die Story einmal erlebt, ist für den erneuten Versuch oft die Luft raus. Nun würde man in der Theorie denken, dass besonders RPGs mit einer Open-World einen größeren Wiederspielwert entfalten könnten, immerhin sind diese nicht linear aufgebaut, doch dieser Gedanken täuscht. Natürlich kann man ein Skyrim recht oft anfangen und sich sehr individuell an die Erkundung der Welt und der Reihenfolge der vielen Quests machen, dennoch hat ein Skyrim bei mir nie für diesen Sog gesorgt, der bei einem Gothic (1 oder 2) aufkommt, wo ich für Stunden immer weiterspiele, ohne genervt zu sein oder mich zu langweilen. Doch wie kommt so was? Die Antwort ist zu einem großen Anteil mit dem „roten Faden“ beantwortet, der Gothic 2 zu einem Dauerbrenner auf meinem Rechner macht. Die Geschichte der ersten beiden Gothic Teile ist packend und vor allem extrem gut erzählt bzw. umgesetzt. Dabei ist der eigentlich Inhalt nicht mal so bahnbrechend, wie man denken könnten. Viel mehr sorgt die Welt mit ihrer dichten Atmosphäre und der rauen Aufmachung für das Feeling, dass man bei einem Abenteuer verspüren will. Es wird einem nichts geschenkt und am Ende des Tages wirft jede erfüllte Aufgabe neue auf, die unser gesamtes Können fordern. Hinzukommt die Möglichkeit, das Spiel in 3 sehr verschiedenen Richtungen durchzuspielen, die zwar am Ende auf das selbe Ziel hinauslaufen, aber die Entwicklung der Spielfigur sowie zahlreiche Details in hohem Maße modifizieren, sodass man 3 mal völlig neue Ansichten von der Spielwelt und deren Bewohnern erhält.
Wie im echten Leben
Auch glänzt Gothic mit Charakteren, die im Gedächtnis bleiben – Raue Sprache, fiese Mistkerle und echte Freunde – In Gothic erlebt man tatsächlich Abenteuer und hat nach einem gewonnen Kampf gegen einen scheinbar unbesiegbaren Feind tatsächlich das Gefühl, etwas geleistet zu haben. An jeder Ecke der Welt warten wunderschöne Details, die man zum Teil erst bei mehrmaligen Durchspielen findet. Selbst ich stolpere noch über Höhlen oder Geheimnisse, die ich sonst noch nie bemerkt hatte. Weiterhin sorgt Gothic 2 samt Addon mit seinem hohen Schwierigkeitsgrad für die Notwendigkeit, seinen Helden mit Bedacht zu skillen, denn wer sich hier vertut, kann gegen Ende des Spiels echte Probleme bekommen. Das alles natürlich vom roten Faden unterstützt, denn je weiter wir in der Hauptgeschichte vorankommen, desto gefährlicher wird unsere Umwelt. Auf der anderen Seite können wir zu jeder Zeit fast jedes Gebiet der Welt erkunden; Keine unsichtbaren Wände begrenzen unsere schier endlose Entdecker-Lust, sondern höchsten verdammt hartnäckige Gegner, die uns lange mit nur einem Treffer ins Land der Toten schicken. Das ganze wird aber logisch in die Gesamtgeschichte eingebettet – Die Welt ist zu jeder Zeit authentisch, etwas was Skyrim selten schafft. Alles scheint seinen Sinn in Gorhic zu haben, alles seine Ursachen. Man hat das Gefühl, sich in einer in sich geschlossenen, natürlichen Welt zu bewegen und in dieser zu Interagieren. Denn unsere Aktionen verändern die Welt, genauso wie sich die Welt ohne unser Zutun verändert. Ein kleines Beispiel ist mir heute erst aufgefallen: In Gothic 2 gibt es eine Diebesgilde, ich hatte mich in Kapitel 2 zwar mit dieser befasst, hatte mir aber ein paar Aktionen offen gehalten. Als ich im dritten Kapitel in die Stadt zurückkehre, muss ich erfahren, dass die Gilde von der örtlichen Miliz ausgeräuchert wurde – Für meinen Helden im Spiel ärgerlich, für mich als Spielenden eine echte Resonanz der Welt, die ich nicht erwartet hätte.
Qualität vor Quantität
Natürlich nutzt Gothic nur einfache Mittel um diese atmosphärische Welt umzusetzen, aber diese Mittel funktionieren in der Summe so gut, dass es kaum besser aussehen könnte. Und wie immer ist es die Geschichte, die alles wie auf magische Weise zu einem großen Ganzen verbindet, ohne dabei offensichtlich auf einen Weg abzuzielen. Ganz spielerisch und natürlich erfährt man mehr Details und ist gleichzeitig dazu angehalten, eigene Schlüsse daraus zu ziehen und darauf zu reagieren. Wer die Welt aufmerksam durchstreift, wird immer wieder alternative Lösungswege oder Hilfe finden, wobei manche Entscheidungen auch Folgen haben können, die wir nicht überblicken können und sich über mehrere Kapitel hinweg erstrecken. So etwas ist ein einem Open World Spiel nicht umzusetzen, denn wie sollte man hier eine dichte Atmosphäre schaffen können, wenn doch alles „offen“ bleiben muss. Das heißt: Eine Open World braucht immer austauschbare und wenig ausgebaute bzw. komplizierte Questreihen sowie Charaktere, einfach weil wir jederzeit überall diese Abschließen können. Zwar kann man versuchen diese umfangreich zu Gestalten, wie die großen Gilden Missionen in Oblivion, jedoch wird man nie diese dichte Atmosphäre erschaffen können, wie sie in Gothic zustande kommt. Denn weder die Welten noch die Geschichte kann den Spieler wirklich umfassen, denn durch die Freiheit zu tun was man will, wird auch die Möglichkeit genommen, den Spieler Grenzen zu zeigen, die eine reale Welt mit sich bringt. Bei einem Rollenspiel ist eine starke und gut erzählte Geschichte das Kriterium, was Qualität und Wiederspielwert angeht und ich hoffe, dass wir in Zukunft wieder mehr solcher Spieler präsentiert bekommen. Denn immer größere Welten mit immer mehr Möglichkeiten sind nicht automatisch besser, viel mehr landet man nur immer und immer wieder auf großen Spielwiesen, statt in gefährlichen Abenteuern.
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