Filtermechanismen im Netz

Unsere individuell konstruierte Realität im Netz ist vielfach beeinflusst, was uns nicht immer zugute kommt.

Das Internet ist für uns heute eines der Kommunikationsmittel, welches uns beständige, multimediale Kommunikationsebenen bietet, welche uns unabhängig von Zeit und Raum in verschiedensten Formen miteinander in Kontakt treten lassen. Dabei rücken nationale „Grenzen“ immer weiter in den Hintergrund, weil wir grob gesagt global in Kontakt stehen. Das macht das Internet zu einem so interessanten und gleichzeitig schwer zu überblickenden Medium, welches uns vor ganz neue Fragen stellt. Die pure Flut an Informationen, welche im Internet täglich „transportiert“ werden, werden durch zahlreiche Faktoren gefiltert, wobei diese Filterung wiederum durch zahlreiche weitere Faktoren abhängt. Ein Bestandteil ist, und das ist auch ganz gut so, unser persönliches Auftreten im Netz – Je nachdem, welche Inhalte wir suchen, werden wir mit entsprechenden Angeboten versorgt. Dass schon hier viele Mechanismen dafür sorgen, dass unsere „Realität“ im Netz schon bei diesen Punkten vielfach beeinflusst wurde, möchte ich später näher erläutern.

Kriterien für Experten im Netz

Denn eine Form der Filterung übernehmen zunächst Websites, die ein bestimmtes Thema behandeln und als „Experten“-Vertreter darüber informieren, den User beraten. Dabei ist es heute fast egal, zu welcher Thematik wir Inhalte suchen, im WWW werden wir dazu relevanten Content finden. Beispielhaft können wir hier konkret Gaming Blogs, YouTube Tutorials, Casino Online, Flugs und Reise-Vergleichsseiten als auch Lernforen für schulische Inhalte finden – Und dabei haben wir nur seicht die eigentlichen Bandbreite des umfassenden Angebots angeschnitten. Doch bei der Wahl solcher Informationsquellen ist ein Faktor ganz besonders wichtig, den wir immer wieder reflektiert betrachten müssen: Wie rechtfertigen sich die Ratgeber und Vergleichsseiten, wie begründen sie ihre Empfehlungen? Bei meinem Blog selbst ist das ganz so aufgestellt, dass ich versuche meine Meinung so konkret wie möglich darzustellen, sodass ein Leser versteht, warum ich ein bestimmtes Spiel schlecht oder eben gut finde. Dabei verleugne ich auch nie, dass es sich dabei um meine Meinung handelt, ich demnach nicht versuche, komplett objektiv zu bewerten, was bei einem Medium wie Videospielen sowieso gar nicht mal so praktisch ist, denn die objektive Qualität eines Spiels steht in keiner Relation zum praktischen Spaß, den wir am Ende mit dem Gameplay haben. Reine Vergleichsseiten müssen das ein wenig anders regeln, sollten aber trotzdem aufzeigen können, wie sich die dargestellten Informationen herleiten. Als Beispiel will ich an dieser Stelle die zahlreichen „Hardware Vergleichsseiten“ im Gaming Sektor nennen, die einem zum Beispiel den besten Gaming Monitor oder die beste Gaming Maus benennen, bzw. eine Liste von Geräten listen, die dann die Top Auswahl darstellen soll. Das Problem: Oft sind dort keine oder zumindest nur sehr uneinsichtige Kriterien benannt, manchmal werden nur „Bewertungen“ in Form von Sternen gezeigt, ohne aufzuschlüsseln, was diese eigentlich wirklich aussagen. Das Problem vieler dieser Seiten: Sie sind extrem undurchsichtig und man muss unterstellen, dass es sich eben nicht um eine „Experten“-Beratung handelt, sondern um eine einfache Farm für Affiliate-Links. Bei solchen Werbe-Links geht es darum, User auf einen Webshop wie zum Beispiel Amazon zu leiten und diesen zum Kauf zu animieren, weil man angibt, dass Maus XYZ besonders gut ist. Kauft der User nun, von der Vergleichsseite auf Amazon verwiesen, eine Maus, geht ein Teil des Kaufpreises als Provision an den Betreiber der Vergleichsseite. 

Der Mehrwert für User sollte im Fokus stehen

Ich will solche Konzepte nicht grundlegend verteufeln, aber trotzdem muss hinter solchen Affiliate-Systemen immer eines im Fokus stehen: Der Mehrwert für den User. Natürlich darf man coole Produkte, die man zum Beispiel selbst zu schätzen weiß, verbreiten und daran „mitverdienen“, das ist irgendwie sogar logisch. Anders sieht es aus, wenn man nicht mehr für User solche Links verbreitet, sondern nur noch an dem möglichen Profit interessiert ist und dann die Qualität der Produkte hinten anstellt bzw. diese nicht mal mehr selbst testet. Daher sollten Vergleichsseiten immer ausführliche und nachvollziehbare Tests durchführen und anschließend genau aufführen, nach welchen Kriterien die Produkte bewertet wurden, die man auf der Seite hervorhebt. Doch natürlich sollte man sich nie auf eine Quelle verlassen und stets mehrere Aspekte auswählen, wenn man zum Beispiel zum Kauf eines Produktes neigt.

Von Cookies, mobilen Nachteilen und reichen Apple Usern

Doch Achtung: Vorhin hatte ich schon angemerkt, dass bestimmte Mechanismen uns im Internet enorm beeinflussen. So können wir feststellen, dass bestimmte Produkte plötzlich teurer werden, wenn wir längere Zeit danach gesucht haben. Das liegt daran, dass wir beim surfen Cookies sammeln, also kleine Datensammler mit uns rumschleppen, welche analysieren, was wir so im Netz suchen. Das ist wichtig, da wir auf Basis der durch zum Teil durch Cookies gesammelten Informationen, mit personalisierter Werbung „versorgt“ werden. Ein weiterer Effekt: Manche Shops nutzen es aus, dass sie über unsere aktuellen Interessen Bescheid wissen, und ziehen dann, bei unserem erneuten Besuch die Preise nach oben. Suchen wir also den einen Tag noch tollen Reisen in die Karibik, kann es passieren, dass wir am nächsten Tag plötzlich höhere Preise für die selben Reisen vorgeschlagen bekommen. Dieses Problem kann man tatsächlich leicht umgehen, indem man regelmäßig seine Cookies löscht, denn ohne diese werden wieder die „unverfälschten“ Preise gelistet. Doch leider sind Cookies nicht der einzige Trick, der im Netz im großen Maß genutzt wird: Die benutze Plattform als auch Betriebssysteme sorgen für weitere Manipulationen, so werden Usern auf Handys meist höhere Preise gezeigt, da man diesen unterstellt, eher im Zeitdruck zu sein, als einem Desktop-Nutzer. Weiterhin wird davon ausgegangen, dass man mit dem Handy/Smartphone eher wenig Übersicht über die ganze Bandbreite der Angebote erhält, eben weil die tatsächliche „Übersicht“ bei den kleinen Bildschirmen beschränkter ist. Besonders dreist ist aber auch die Bedeutung des genutzten Betriebssystems, welches Apple User (ich hasse Apple) oft höhere Preise anzeigt, weil man davon ausgeht, dass ein Apple Nutzer eben mehr Geld zur Verfügung hat. Wir stellen also fest, dass wir schon hier mehrfach Manipulationen ausgesetzt sind, die sich in diesem Falle nur auf gelistete Preise beziehen, doch die Problematik selbst ist natürlich weitaus größer.

Personalisierte Inhalte

Hierfür muss man wiederum auf personalisierte Werbung zu sprechen kommen, denn nicht nur Werbe-Anzeigen werden heute extrem personalisiert, auch Web-Inhalte selbst sind längst in den Fokus von modernem Marketing gerückt und man versucht hier, massiv die Algorithmen von Suchmaschinen wie Google oder Videoplattformen wie YouTube auszunutzen. So musste ich in meinem Umfeld feststellen, dass Beispielweise YouTube Netzwerke, zum Teil ganze Abteilungen beschäftigen, die die gesamte Zeit nur damit zu tun haben, herauszufinden, wie man bei YouTube auf der Startseite landet. Dabei werden dann so idiotische Strategien verfolgt, wie das Posten eines Kommentars unter dem kürzlich veröffentlichten Videos eines anderen großen YouTubers oder sinnlose Filler Videos, nur damit man auch ja zwei Videos in der Woche veröffentlicht hat. Auch hier ist der Umgang mit solchen gezielten Manipulationen schwierig, denn ich kann schon verstehen, dass es heute einfach auch wichtig ist, Reichweite zu generieren. Doch trotzdem sollte so etwas immer irgendwie „organisch“ sein, einem natürlichen Schaffensprozess untergeordnet werden, ohne sich oder aber seine Fans zu verkaufen. Aber ehrlich gesagt sind das auch Ansprüchen von jemanden, der das ganze nur als Hobby betreibt… auf der anderen Seite gibt es durchaus Beispiele, die beweisen, dass man Content mit Reichweite auch ohne ätzende Manipulation der Algorithmen oder anvisierten Zielgruppe produzieren kann. AltF4Games zum Beispiel ist dafür bekannt, eher selten Videos zu veröffentlichen, trotzdem bleibt er relevant und verliert seine Zuschauer nicht, weil sein Content eine enorme Qualität bietet. Gleiches gilt wohl für Coldmirror, welche seit den Anfängen von YouTube Deutschland am Start ist und beständig tolle Unterhaltung bietet, ohne jemals Werbung auf YouTube geschaltet zu haben – Eine Ikone. Doch um uns von YouTube wieder abzuwenden, will ich personalisierte Inhalte wieder in den Fokus rücken. Denn egal wo wir uns im Netz bewegen: Immer wird uns versucht das zu zeigen, was wir vermutlich mögen oder was uns interessiert. Hier reichen schon kleinste Angaben, zum Beispiel auf Facebook. So hatte ich in meinem Facebook Profil eine Zeit lang angegeben, 114 Jahre alt zu sein. Die Folge: Ich erhielt auf Facebook, aber auch auf anderen Seiten im Netz als auch via Mail Werbung für Hörgeräte. Das verdeutlicht an einem sehr einfachen Beispiel doch recht gut, wie man uns gezielt mit Inhalten versorgt. Und das betrifft so gut wie alles, was Firmen wie Facebook, Goolge und Co über uns wissen – Und dementsprechend wird unsere Netzerfahrung massiv beeinflusst, was wir als Filterblase oder Meinungsblase betiteln. Dieser Begriff beschreibt die durch personalisierte Darstellungen geschaffene und von uns „konstruierte“ Realität im Netz, welche stark durch unsere Interessen und Wünsche beeinflusst wird. Demnach sehen wir verstärkt die Inhalte, die uns gefallen, was uns die Möglichkeit nimmt, uns umfassend zu informieren.

Fazit

Letztlich sollte uns klar werden, dass unsere konstruierte Realität im Netz durch zahlreiche Mechanismen beeinflusst wird, denen wir zum Teil selbst aktiv begegnen müssen. Nur wer das Internet bewusst nutzt, kann sich vor einer umfassenden Manipulation schützen, letztlich aber auch nicht gänzlich abkapseln. Das wichtigste Werkzeug ist und bleibt unser gesunder Menschenverstand, den wir auch im Netz beständig nutzen sollten.

Johann von Ti
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