Early Access auf Lebenszeit

Wenn man an toten Patienten weiter operiert und andere niemals aus der Behandlung entlässt…

Als vor einigen Jahren diese ganze Geschichte mit Early Access seinen Lauf nahm, fand ich diese Entwicklung durchaus spannend. Ihr wisst schon: Spiele schon vor dem eigentlichen Release spielen und die Entwickler bei der Realisierung ihrer Projekte unterstützen. Das war verdammt cool, besonders weil man zum Teil wirklich das Gefühl hatte, als Community Einfluss auf den Verlauf der Entwicklung nehmen zu können. Heute hat Early Access seinen Zauber völlig eingebüßt. Das liegt unter anderem an Spielen, die sich so sehr mit dem Early Access Status angefreundet haben, dass sie als Dauerbaustellen auf ewig ohne echtes Release verbleiben – Für Entwickler hat das quasi nur Vorteile – Immerhin ist der Early Access Status DIE Ausrede, wenn User Kritik am Spiel üben möchte. Immerhin „wusste“ man ja genau, worauf man sich einließ und „kannte“ die „Tücken“ einer Early Access, die eben Bugs und Fehler aufweisen kann. Das dann aber Spiele wie DayZ auch heute noch auf dem Status einer schlecht spielbaren Alpha dümpeln, kann ich nicht verstehen. Man muss sich mal vor Augen führen, dass dieser „Urvater“ der Early Access Games seit 2013 entwickelt wird. Nach 4 Jahren hat man es nicht geschafft, ein funktionierendes Spiel auf die Beine zu stellen, stattdessen bringt jedes Update neue Probleme mit sich, wobei Neuerungen oft wieder entfernt werden müssen, während fundamentale Probleme nie aus der Welt geschafft wurden – Zum Mitschreiben – In 4 Jahren ENTWICKLUNG hat man nicht mal einen Beta Status erreicht, wobei die Entwickler alle paar Monate große Ankündigungen machen, die dann aber, wie ein Großteil aller Updates, ins leere laufen.

DayZ Standalone - Steam Shop

Mit fetten Lettern warnt man Käufer vor dem Kauf der Early Accees, für die man vor Jahren noch kräftig Werbung machte und vor einem Release innerhalb eines Jahres sprach. Nach 4 Jahren Early Access ist noch nicht mal die Beta veröffentlicht wurden.

Wenn man so lange verbessert, bis es schlechter wird

Ein anderer Vertreter dieser „wir werden nie fertig“ Spiele ist dann wiederum Rust, wobei wir hier ein ganz anderes Entwicklungsbild haben. Ich war lange ein großer Fan von Rust und habe das Survival Game in höchsten Tönen gelobt. Tatsächlich haben die Entwickler hier beständig für eine Weiterentwicklung gesorgt. Rust hat sich seit seinem Release 2013 enorm gewandelt – Allein die Grafik als auch die Performance hat man extrem nach oben geschraubt. Lange Zeit habe ich das Spiel dafür geliebt, doch scheinbar tut eine so lange Early Access Phase keinem Entwicklerteam gut, denn die momentane Entwicklung von Rust geht in meinen Augen völlig fehl. Während Anfangs der Fokus noch auf einem Survival Erlebnis lag, bei dem man sich zunächst mit einem einfachen Bogen behalf und Jagd nach Blaupausen machte, geht es heute zentral nur noch um massenhafte modernen Schusswaffen und PVP. Ähnlich wie in DayZ ist die Community nämlich dazu übergegangen, allein im gegenseitigen Niederschießen und Plündern einen Spielsinn zu sehen. Ja, Raiden und PVP gehörte schon immer zu Rust und ist in fast jedem Survival Game Bestandteil des Gameplays, doch wenn man als „Nackter“, lediglich mit seinem Stein „ausgerüstet“, über den Haufen geschossen wird oder die kleine Holzhütte jedes mal vollständig zerstört wird, wenn man mal offline ist, vergeht einem der Spielspaß doch recht schnell. Hätten sie mal die Zombies im Spiel gelassen, vielleicht hätte Rust dann noch ganz andere Wege gehen können. So oder so gibt es mittlerweile einen tollen Echtgeld-Shop für Waffenskins – Ich würde sagen, dass das doch schon eine Menge aussagt. Hier hat sich, im Gegensatz zu Standalone von DayZ, also verdammt viel getan – Doch führte die schier endlose Entwicklung letztlich in eine Richtung, die viele der Fans der ersten Veröffentlichung entsetzt – Zumindest ich erkenne heute nichts mehr von der Vision, die Rust damals vermittelte.

Rust Item Shop

Rust entwickelte sich lange Zeit prächtig, heute steht PVP im Fokus der Weiterentwicklung und verdrängt die anderen Bestandteile des ursprünglichen Gameplays.

Von der Idee bis zum totalen Kollaps

Als drittes Beispiel möchte ich noch den Total-Ausfall in Sachen Early Access nennen – Einige werden sich denken was jetzt kommt – Ja H1Z1. Oder wie man das Spiele heute nennt: H1Z1: Just Survive und H1Z1: King of the Hill – Aus einem halbgaren Early Access Projekt sind zwei halbgare Early Access Projekte geworden – Mitose also. Wobei die so entstandenen Projekte kaum als identisch bezeichnet werden können. Während Just Survive das grundlegende „Survival“-Konzept vom Original H1Z1 vertritt (Sony Online Entertainment hatte damals große Pläne mit dem Spiel gehabt), versucht King of the Hill reines PVP den Mann zu bringen, ohne dabei noch Bezug zu einer Zombie Apokalypse oder eigentlichem Survival Gameplay zu nehmen. Der neue Entwickler Daybreak Game scheint sich damit auch bedeutend besser auszukennen, denn während das für mich völlig uninteressante King of the Hill tatsächlich weiter ausgebaut und irgendwie verbessert wird (dennoch ist auch dieses Spiel grausam verbugt und unfertig), verkümmert Just Survive nun vollständig und sieht auch heute noch aus wie ein schnell zusammengebautes Free to Play Game (H1Z1 war ja mal als Free to Play Konzipiert), welches nicht mal im Ansatz richtig funktioniert. Verdammte Scheiße, wenn ich mich an die Versprechen von Sony erinnere… Aber die haben sie ja direkt zum Release schon gebrochen, als Pay to Win Elemente im Spiel Einzug hielten, die man eigentlich ja konsequent ausschließen wollte. Doch das beste kommt ja noch: Denn mit dem neuen Entwickler hat sich eines nicht geändert – Die Preispolitik – Für beide Early Access Titel soll man immer noch 20 Euro blechen und der ursprüngliche Plan eines Free to Play Games liest sich jetzt so:

Wird dieses Spiel während und nach Early Access unterschiedlich viel kosten?

H1Z1: Just Survive is available for $19.99 USD with optional in-game purchases.

Cool! Wenigstens ist man bei Daybreak ehrlich. Gegen fehlende Inhalte, massive Bugs, Cheater und Hacker und andere Probleme unternimmt man dagegen eher wenig, dafür gibt es bunte Waffen- und Charakterskins (das allerwichtigste in Spielen!). Naja, irgendwie muss man das ganze ja noch ausschlachten, ich bin nur überrascht, dass es ernsthaft noch User gibt, die diese Entwicklungsgeschichte verteidigen. Vom eigentlichen Survival Game H1Z1 ist nichts mehr übrig, zumindest nichts, was man noch erwähnen sollte. King of the Hill mag einige Spieler ja reizen, aber selbst hier versucht man doch nur noch die Kuh so lange zu melken, bis sie letztlich stirbt – Erwarten sollte man hier nichts mehr.

H1Z1 - Was hat das noch mit Zombie Survival zu tun

H1Z1 startete als ambitioniertes Projekt, welches alles besser machen wollte als DayZ. Am Ende ging alles doch recht klanglos den Bach herunter.

Fazit

Das waren jetzt „nur“ drei Beispiele für negative Early Access Entwicklungsgeschichten (die alle noch aktuell sind), die aber eine deutliche Sprache sprechen – Early Acces ist eben nicht diese heilende Lösung in Sachen Finanzierung und Realisierung tolle Indie Projekte – Viel mehr kann so eine Early Access Entwicklung den eigentlichen Spielen enorm schaden. Das liegt auch einfach daran, dass Entwickler mit der Zeit den Überblick oder auch die Lust verlieren. Dean Hall, der „Erfinder“ von DayZ, verließ schon Ende 2014 das Team hinter der Standalone Version des Zombie Survival Games und kündigt aktuell ein neues Spiel an. Das sein erstes Projekt bis heute nicht mal den Status der Alpha überschritten hat, scheint ihn dabei nicht zu stören. Ehrlich gesagt stehe ich Early Access heute sehr kritisch gegenüber – Denn tatsächlich gehen Entwickler kaum verantwortlich mit dem Early Access Konzept um. Statt mit strikten Plänen einer Realisierung entgegenzuarbeiten, wird sich viel zu oft auf dem Status „in Entwicklung“ ausgeruht. Ob DayZ jemals fertiggestellt oder auch nur den Beta Status erreicht, wage ich heute zu bezweifeln. Aber wie auch immer – Der Zauber von Early Access ist verflogen und wird wohl nie wieder zurückkehren…

Johann von Ti
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