Alles schien so gut zu sein, doch letztlich bin ich vom neuen Fallout mehr als enttäuscht…
Man, ich muss gestehen: Das hat jetzt aber wirklich lange auf sich warten lassen. Fallout 4 erschien im November 2015 und ist damit alles andere als ein brandneues Game. Dennoch musste Zeit ins Land gehen, bevor ich mir einen tatsächlichen Eindruck von diesem Spiel machen konnte und letztlich musste noch mehr Zeit vergehen, bis ich bereit war, das ganze in einem Beitrag zu verewigen. Doch warum hat mich Fallout 4 so enttäuscht?
Fallout-Nostalgie
Die Fallout Reihe genießt einen verdammt guten Ruf und nicht wenige Spieler zählen mindestens einen Fallout-Teil auf, wenn es darum geht, besonders gute Games zu nennen. Auch ich bin ein echter Fan von Fallout und hatte mich besonders in Fallout 3 alsi auch Fallout New Vegas verloren. Postapokalypse mit ganz viel Charme, schweren Entscheidungen und abgedrehten Charakteren. Ich meine in welchem Spiel wird man damit konfrontiert, eine ganze Stadt zu vernichten oder einem Cyborg-Hund ein frisches Gehirn zu besorgen? Ich habe diese Welten geliebt und wurde nicht müde, das Ödland zu durchstreifen und eine Vault nach der anderen zu erkunden. Bei Fallout 4 brach schon mit der Ankündigung ein wahrer Hype aus, welchem auch ich verfallen war. Ich ließ mich von Trailern, blumigen PR-Gewäsch und nostalgischen Erinnerung an die Vorgänger blenden und freute mich auf ein verdammt gutes RPG. Dann erschien Fallout 4 auch schon und ich begann zu spielen und war begeistert… zumindest für den Moment.
Die Hauptstory ist doch nur Beiwerk
Keine Frage: Fallout 4 ist sicherlich kein totaler Reinfall, aber gut würde ich es heute auch nicht mehr betiteln. Der erste Eindruck kann eben doch täuschen, denn die Probleme von Fallout 4 schaffen es verdammt gut, zunächst nicht unbedingt aufzufallen. Tatsächlich ist eines der größten Probleme die Hauptstory, welche uns in ein pseudo-emotionales Dilemma werfen soll. Unsere Frau wird erschossen, unser geliebter Sohn entführt – Was für sich genommen natürlich tatsächlich eine schreckliche Situation von den Titelhelden darstellt, entfaltet in keiner Weise sein Potenzial, denn mit unserer Frau wechselten wir im Vorfeld drei oberflächliche Sätze, während wir unseren Sohn mit „E“ beruhigten. Das ist dieser Call of Duty Moment, wenn unser Kamerad, welcher vor 2 Minuten vorgestellt wurde, angeschossen wird und das ganze Team plötzlich in schreckliche Trauer verfällt, nur um kurz darauf wieder mit dem MG im Anschlag feindliche Soldaten niederzumähen. Wenn man Emotionen erschaffen möchte, muss man für diese auch Grundlagen legen. Spieler müssen auch eine Bindung oder zumindest irgendeinen Bezug zu einem KI-Kollegen haben, ansonsten juckt uns das digitale Ableben dieser nicht, egal was diese nun darstellen sollten. Das ist für sich genommen natürlich kein Beinbruch und das größte Argument der Fallout als auch The Elder Scrolls Reihe ist es in diesem Zusammenhang ja immer wieder, dass die Hauptstory nicht der Fokus des Spiels sei, sondern die zahlreichen Nebenmissionen.
Fraktionen sind da, um da zu sein
Doch während schon die Hauptstory extrem oberflächlich daherkommt, bleiben alle unsere Taten im gesamten Spielverlauf irgendwie unbedeutend. Das liegt unter anderem daran, dass unsere Taten eben kaum Einfluss auf den Verlauf des Spiels nehmen und das Ende von Fallout 4 gar nicht beeinflussen. Besonders schlimm hat es die Fraktionen getroffen, welche schlecht in die Spielwelt eingearbeitet wurden und oft kaum nachvollziehbar handeln. Das „Institut“ will die Menschheit retten, entführt Menschen, ersetzt diese durch Roboter und hetzt Supermutanten auf die Bevölkerung. Was mit den entführten Menschen passiert, wie das Institut mit seinen Taten die Menschheit retten will oder was das eigentlich mit den Robotern soll, wird nie erklärt. Dann haben wir noch die Minuteman, die neue Siedlungen im Ödland gründen. Naja, eigentlich machen wir das im Alleingang, sowie alle anderen Arbeiten, die für eine solche Organisation so anfallen. Die Ideen dabei sind nicht schlecht, immerhin können wir Siedlungen gründen und diese individuell ausbauen und gestalten. Leider ist das Bausystem buggy und spätestens nach der dritten „beschütze Dorf XY vor YZ“ Mission, welche in Endlosschleife auf uns einprasseln, überlegt man sich doch recht schnell, die Siedlungen sich selbst zu überlassen. Das wird leider auch nicht besser, wenn man zum Anführer der Fraktion aufsteigt und dabei zusehen darf, wie sich die Minuteman in der eigenen Festung verschanzen, während man sich anhören darf, wo man als nächstes aufzuräumen hat. Am Ende ist es aber auch egal, ob wir uns nun um die Siedlungen kümmern oder die Siedler ihrem Schicksal überlassen, denn Auswirkungen hat das alles nicht, es wird lediglich die „Möglichkeit“ geschaffen, selbst Siedlungen aufzubauen.
Missionen als Beschäftigungstherapie
Dann wäre da auch noch die Stählerne Bruderschaft, einer altbekannten Organisation, welche als religiös, technokratische Fraktion auftritt. Schon in den Vorgängern waren Berührungen mit der Stählernen Bruderschaft etwas besonders, weil diese eine der fortschrittlichsten und elitärsten Gruppierungen im Fallout Universum bilden. In Fallout 4 trifft man auf einen versprengten Expeditionstrupp, der einen schneller aufnimmt, als man die Gruppe ignorieren kann. Auch die eigentlich so fortschrittliche Übermacht der Bruderschaft kommt kaum zur Geltung, denn Power-Rüstungen gibt es im Ödland wie Sand am Meer und ansonsten haben die Jungs und Mädels auch nichts zu bieten. Tritt man bei, darf man endlose „Säuberungen“ im Ödland starten, in welchen man Mutanten tötet oder irgendwelche sinnlosen „Artefakte“ sammelt. Wie bei den Minuteman wird man hier mit inhaltslosen Aufgaben versorgt, die die Spielzeit künstlich strecken. Das Problem: Das ganze hat keinen Sinn, keine Verknüpfung zu Spielwelt oder der Handlung – Sie bringen uns in keiner Weise voran, sondern spielen sich wie eine Beschäftigungstherapie.
Jeder soll alles machen können
Und leider wird das noch damit bekräftigt, dass das gesamte Spiel von beständigen Respawns durchzogen ist – Das bedeutet, dass nach gewisser Zeit alle Gebäude, Dungeons und Gegenden wieder mit exakt den gleichen Gegnern und Loot bestückt werden. Das zerstört die restliche Immersion, welche bei der Open World von Fallout 4 durchaus aufkommen will. Leider gefallen mir auch die vielen Nebenmissionen nicht wirklich, auch wenn man hier deutlich merkt, dass man darauf den größten Wert gelegt hatte. Einige Missionen wirken zunächst erfrischend und sogar spannend, sind aber am Ende meist enorm enttäuschend. Man entdeckt immer wieder spannende Orte oder trifft auf großartige Charaktere, leider haben diese, wie schon bei der Hauptstory als auch den Missionen der wichtigsten Fraktionen, keinen wirklichen Einfluss auf die Spielwelt. Alles passiert innerhalb der Nebenmission und bleibt mehr oder minder in dieser „Blase“ gefangen. Meist war ich zu Beginn einiger Nebenmissionen total begeistert und gespannt, wo mich diese hinführen würden, nur um diese am Ende recht enttäuscht abzuschließen. Mir fehlt dabei besonders die Möglichkeit, Missionen auf verschiedene Weisen abzuschließen oder dabei mit negativen Folgen versagen zu können. Besonders in Fallout New Vegas war ich von dem System begeistert, diverse Probleme mit bestimmten Skills lösen zu können – Versuche ich den Wachmann zu bequatschen mich durchzulassen, biete ich meine Unterstützung als Techniker an oder ziehe ich meine Waffe und schieße mir einen Weg frei? Ansatzweise versucht das auch Fallout 4, versagt dabei aber. Man merkt einfach, dass man hier, wie schon bei Skyrim, sichergehen wollte, dass jeder Spieler alle Aufgaben lösen kann. Damit fallen schwerwiegende Entscheidungen mit weitreichenden Folgen weg, ebenso wie deutliche, skillbasierte Einschränkungen.
Fazit
So kann man die Highlights von Fallout 4 (und ja, diese existieren und ich kann nicht leugnen, dass diese großartige waren) an zwei Händen abzählen. Insgesamt leben diese Highlights aber nicht von gutem Spiel-Design oder einer starken Story, sondern von skurrilen Begebenheiten. Verrückte Roboter auf einem Schiff, gigantische Monster mitten im Ödland oder völlig abgedrehten Charakteren in einer vergessenen Vault. Aber diese reichen für mich nicht aus, um mich für viele Stunden an den PC zu fesseln, viel mehr handelt es sich um süße Rosinen, die man sich aus dem ansonsten recht faden Joghurt picken muss, damit man überhaupt den Appetit aufrechterhalten zu können. Besonders im Vergleich zu Fallout New Vegas ist Fallout 4 ein gigantischer Rückschritt. Besonders Fans des Crafting Systems als auch der Möglichkeit Dörfer zu errichten, dürften glücklich mit Fallout 4 sein, wer aber ein fesselndes RPG in einer postapokalyptischen Welt erwartet, wird nach den ersten Spielstunden enttäuscht werden, denn je länger man Fallout 4 spielt, desto stärker fallen einem die Schwächen auf. Ich für meinen Teil war am Ende enorm enttäuscht und weiß nicht, wie ich die gravierenden Mängel anfangs übersehen konnte.
- Quelle: Das Titelbild habe ich von User Tramauhh auf Deviantart.
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