Wie viel Wahrheit steckt im Film Casino

Ein Standbild aus dem Film Casino von 1995. Zu sehen ist Sam Rothstein (Ace), er inmitten eines Casinos steht. Um ihn herum wird Blackjack gespielt.

Die besten Geschichten schreibt das Leben noch immer selbst – zumindest hat es einen besonderen Reiz, wenn wir wissen, dass eine Geschichte auf realen Ereignissen beruht. So auch in der Film-Welt: Achtet man mal darauf, offenbaren sich hinter interessanten Film-Handlungen oft erstaunliche Lebensgeschichten. Der Film „Casino“ (1995) des Regisseurs Martin Scorsese ist ein gutes Beispiel dafür. Doch wie viel Wahrheit steckt hinter dem Kriminaldrama rund um die Machenschaften der Mafia in der Glücksspielhölle Las Vegas der 1970er Jahre?

Der Film Casino ist zwar ein fiktives Kriminaldrama, basiert zugleich aber in vielen Bereichen auf echten Ereignissen, Begebenheiten und Charakteren. 

Die wahre Geschichte eines Berufsspielers

Kein Wunder: Casino basiert (laut Vorspann des Films) auf dem gleichnamigen Buch von Nicholas Pileggi (triviale Fakten am Rande: In einem Audio-Kommentar erklärt Pileggi, dass er an dem Buch als auch dem Drehbuch zeitgleich arbeitete und die Arbeiten am Drehbuch sogar früher abschloss). Das Buch erzählt die Geschichte von Frank Rosenthal, als dieser „Karriere“ in Las Vegas machte – die Handlung des Films fußt also auf einer wahren Lebensgeschichte. Doch wer war Frank Rosenthal?

Die Vorgeschichte

Frank Lawrence „Lefty“ Rosenthal (1929 – 2008) war ein Glücksspieler und Casino-Manager. Der US-Amerikaner begann seine Karriere sehr früh – bereits mit 14 Jahren soll er täglich auf einer Pferderennbahn in Chicago gewettet haben. Schnell erkannte er, wie wichtig Informationen waren, um den Ausgang eines Rennens voraussagen zu können. Alsbald investierte er in tägliche Recherche und beschloss das Wettgeschäft beruflich zu betreiben. Mit 19 arbeitete er in einem Sportwetten-Büro. Schon in dieser Zeit werden ihm erste Berührungspunkte mit dem organisierten Verbrechen nachgesagt, auch wenn er noch nicht mit dem Gesetz in Konflikt geriet.

In Miami baute Rosenthal ein starkes Informationsnetz, welches über zahlreiche Kontakte im gesamten Land realisiert wurde. Schnell konnte er große Wetteinsätze tätigen und erwarb einen guten Ruf unter Handicappern und Buchmachern. In Miami wurde er nun auch mehrmals wegen illegaler Buchmacherei verhaftet. Durch Kontakte zur italienisch-amerikanischen Mafia erlangte er jedoch eine gewisse Sicherheit vor der Polizei. Zumindest bis 1962: Rosenthal wurde von der Kefauver Crime Committee angehört, wo ihm unter anderen vorgeworfen wurde, einen Basketballspieler bestochen zu haben. Dort verweigerte er jedwede Aussage.

Las Vegas

Nachdem der Druck in Miami 1967 immer größer wurde, verschlug es ihn zunächst wieder nach Chicago. Nachdem er von dort aus erfolgreiche Wetten in Las Vegas abwickelte, wollte er seine Geschäfte dort weiterführen. In der Stadt des Glücks ist Glücksspiel bereits seit den 1930er Jahren legal – Rosenthal hoffte, dass er dort von der Polizei ungestört operieren könnte. In Las Vegas war er äußerst erfolgreich und konnte satte Gewinne einfahren. In dieser Zeit lernte er seine Frau Geraldine „Geri“ McGee kennen. Sie war eine Tänzerin in einem Casino und begleitete gut betuchte Spieler während ihrer Casino-Aufenthalte (gegen ein Entgelt, versteht sich).

Keine leichte Beziehung: Auch wenn Rosenthal schwer verliebt ist, beruht diese Liebe nicht auf Gegenseitigkeit. Geri hängt noch an ihrem Ex-Liebhaber, woraus sie gegenüber Rosenthal auch kein Geheimnis macht. Dennoch heirateten die beiden 1969, sicherlich auch, weil Rosenthal ein Bankschließfach für Geri anlegt, in dem gut 250.000 US-Dollar und wertvoller Schmuck hinterlegt ist.

Film und Realität

Ungefähr diese Zeit peilt auch der Film Casino an: Rosenthal wird im Film als Sam Rothstein dargestellt – auch „Ace“ genannt. Der erfolgreiche Berufsspieler soll Anfang der 1970er Jahre ein Casino leiten. Seine Frau wird von Ginger dargestellt.

Der Film orientiert sich nun in groben Zügen an den echten Ereignissen. So entspricht das im Film dargestellte Tangiers-Casino dem ehemaligen Stardust-Casino. Auch die Tatsache, dass Ace das Casino inoffiziell leitet, entspricht dem realen Vorbild. Als ehemaliger Buchmacher hätte Rosenthal niemals ein Casino leiten dürfen – daher agierte er unter ständig wechselnden Berufsbezeichnungen wie „Food & Beverage Manager“ oder „PR-Manager“, während ein Strohmann nach außen die Leitung des Casinos hatte. Im Film beantragt Ace die Lizenz als Restaurant-Manager und setzt ebenfalls einen Strohmann ein.

Mit seinen Erfahrungen als Spieler und Buchmacher kann Ace die Umsätze in seinem Casino schnell verdoppeln – auch hier übertreibt der Film nicht. Rosenthal setzte zahlreiche Neuerungen um, die sehr zum Erfolg seines Casinos beitrugen und neue Maßstäbe in Las Vegas setzen sollten. So setzte er weibliche Blackjack-Dealer an seine Tische, was die Gewinne innerhalb eines Jahres verdoppelte – damals eine echte Neuerung (Eleanore Dumont war die populäre Ausnahme). Weiterhin warb er die Zauberkünstler Siegfried und Roy vom MGM Grand Hotel ab. Er versprach das Duo mit einer exklusiven Garderobe auszustatten und ihnen eine eigens angepasste Showbühne zu bauen. Auch schuf Rosenthal einen Sportwetten-Saal in seinem Casino – ebenfalls ein Novum. Schnell kopierten so gut wie alle Casinos in Las Vegas diesen Ansatz.

Ace größte Schwäche ist die Edelprostituierte Ginger. Sie liebt Ace nicht, sondern hängt stattdessen an ihrem Ex-Freund. Auch betrügt sie Ace später mit einem seiner Mafia-Freunde und vernachlässigt die gemeinsamen Kinder. Auch dieser Teil des Films spiegelt in großen Teilen die Wirklichkeit wieder. Tatsächlich war die Ehe von Rosenthal später vor allem durch den Alkoholismus seiner Frau geprägt – die mehrmals eine Waffe auf ihn richtete und betrunken am Telefon davon sprach, Rosenthal umzubringen.

Im Film geraten die von der Mafia geführten Casinos in Las Vegas immer weiter unter Druck. Ermittlungen des FBI führen zu zahlreichen Festnahmen – die Mafia-Bosse beginnen wichtige Zeugen auszuschalten. Zu diesem Zeitpunkt explodiert auch das Auto von Ace, was er nur knapp überlebt.

Und auch diese Ereignisse basieren tatsächlich auf Rosenthals Leben: Anfang der 1980er kam es zu vielen Gerichtsverhandlungen – die große Zeit der Mafia in den Casinos von Las Vegas war vorbei, viele Bosse saßen ein. Auch Rosenthals Karriere in der Glücksspiel-Stadt war damit beendet. Am 4. Oktober entging er nur knapp einem Bombenattentat – als er sein Auto startete, stießen kleine Flammen aus dem Belüftungssystem. Geistesgegenwärtig verließ Rosenthal sein Auto, was kurz darauf explodierte. Eine Bombe war am Heck seines Wagens angebracht.

Im Film steckt die Affäre von Aces Frau hinter dem Angriff. Gigner selbst trennt sich endgültig von Ace und räumt das Bankschließfach leer – wird jedoch vom FBI überwacht und festgenommen. Wieder auf freiem Fuß stirbt sie aufgrund ihrer Drogenabhängigkeit an einer Überdosis. Ace verlässt Las Vegas mit seinen Kindern und lebt zurückgezogen als Buchmacher.

Das tatsächliche Bombenattentat auf Rosenthal bleibt unaufgeklärt. Von seiner Frau ließ sich Rosenthal, anders als im Film, bereits 1980 scheiden. Vielleicht war sie oder ihre Affäre für die Autobombe verantwortlich. Oder aber einer der großen Mafia-Bosse, die einen vermeintlichen Zeugen ausschalten wollten. Auf jeden Fall verstand Rosenthal den Angriff als Warnung und verließ mit seinen zwei Kindern Las Vegas und zog nach Kalifornien. Seine Ex-Frau starb 1982 an einer Überdosis – weder Rosenthal noch eines der gemeinsamen Kinder war bei der Beerdigung anwesend. Wie im Film dargestellt, lebt er fortan zurückgezogen in Kalifornien – betätigt sich aber noch als Buchmacher.

Las Vegas als Drehort 

Doch beim Hintergrund hört die Authentizität noch nicht auf: Tatsächlich wurde fast der gesamte Film in Las Vegas und Umgebung gedreht. Die Szenen in den Casino- und Büro-Räumen wurden zum Beispiel im ehemaligen Riviera Las Vegas („The Riv“) gedreht. Der 23-stöckige Hotel- und Casino-Komplex wurde 1955 frisch eröffnet und zeigt recht authentisch das Bild der Casinos, welche den Strip in Las Vegas über Jahrzehnte dominant prägten. Auf der einen Seite strahlt der Komplex den Glamour der großen Glücksspiel-Tempel aus, die mit einer exklusiven „VIP-Erfahrung“ warben. Etwas, was heute nur noch wenige echte Casinos in dieser Form bieten, während viele Online-Casinos wie Mr Green versuchen, dieses Flair irgendwie ins digitale zu übertragen. Auf der anderen Seite hatte Das Riv auch eine blutige Mafia-Vergangenheit von Las Vegas. So wurde dem Casino lange Zeit eine Verbindung zur La Cosa Nostra nachgesagt (der italienisch-amerikanischen Mafia). Am 3. Dezember 1958 wurde der Manager des Casinos Gus Greenbaum zusammen mit seiner Frau ermordet. Neben Unstimmigkeiten bezüglich der Führung des Casinos soll sich Greenbaum ebenfalls geweigert haben, seine Anteile am Casino zu verkaufen – es wird vermutet, dass dies zu seiner Ermordung führte. Das ist brutale, blutige Seite des alten Las Vegas.

Interessant: Das Riviera Las Vegas diente nicht nur dem Film Casino als Drehort. Tatsächlich wurden eine ganze Reihe von Filmen dort umgesetzt:

Jahr

Film

1960

Frankie und seine Spießgesellen (Original: Ocean’s Eleven)

1971

Diamantenfieber

1997

Austin Powers – Das Schärfste, was Ihre Majestät zu bieten hat

1995

Casino

1995

Showgirls

1999

Go

2001

Crime is King – 3000 Meilen bis Graceland

2008

21

2009

Hangover

 

2015 wurde das Riviera Las Vegas nach 60-jährigem bestehen geschlossen. 2016 wurde der Komplex dann in zwei separaten Sprengungen abgerissen.

Fazit – ein authentisches Porträt

Am Ende erzählt Casino eine auf wahren Begebenheiten basierende Story, die an realistischen Schauplätzen gedreht wurde. Ich war erstaunt, wie nahe sich das Drehbuch an der wahren Geschichte von Frank Lawrence „Lefty“ Rosenthal orientiert und wie spannend diese tatsächlich ist. Der Film zeigt letztlich, natürlich in typischer Hollywood-Manier, das glamouröse und zugleich blutige Gesicht der Glücksspiel-Stadt Las Vegas in den Zeiten, als die Mafia die Casinos fest in der Hand hatte.

Im Grunde ein Sinnbild des kriminellen Raubtierkapitalismus, der sich in den skrupellosen Machenschaften der Mafia widerspiegelt. Nebenbei offenbart der Film auch, wie die Glücksspiel-Tempel in Las Vegas lange Zeit funktionierten und der Mafia als schier unerschöpfliche Einnahme-Quelle fungierte. Und auch, was viele der großen Casinos aus diesen Zeiten beibehalten haben – denn nachdem die Mafia (zumindest augenscheinlich) die Kontrolle über die Casinos verlor, so werden viele damals etablierte Standards bis heute eingesetzt und von den Spielhäusern auf aller Welt kultiviert. Daher möchte ich diesen Beitrag mit einem Zitat von Frank Rosenthal abschließen:


Give them a free drink and a dream, and they give you their wallets.

Gib‘ ihnen ein Freigetränk und einen Traum, und sie geben dir ihre Brieftaschen.“

Frank Rosenthal

Johann von Ti
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