Ein junger Arzt irgendwo im nirgendwo, konfrontiert mit der harten Realität seines Berufs – schrecklich komische Unterhaltung auf hohem Niveau!
Ich bin immer wieder überrascht, wie viele kleine aber dennoch extrem sehenswerte Serien es mittlerweile gibt, die man über Jahre übersieht und dann plötzlich findet. Ich muss zugeben, wie schon bei iZombie musste mich erst meine beste Freundin auf die richtige Fährte lenken, doch nach einem gemeinsamen Serien-Abend ist klar: Eine neue Perle ist gefunden. Genaugenommen handelt es sich bei „A Young Doctor’s Notebook“ um eine Mini-Serie, in welcher die kurzen Episoden lediglich eine Spielzeit von ca. 22 Minuten aufweisen, dennoch hat die britische Serie viel Charme, ist grandios besetzt und ist erfrischend innovativ – Doch fangen wir mal an!
Die Geschichte
Wie so oft schreibt das wahre Leben selbst die besten Geschichte, so basiert auch „A Young Doctor’s Notebook“ auf einer Kurzgeschichtensammlung des russischen Autors Michail Bulgakov, der 1916 als diplomierter Arzt frisch von der Universität in die russische Provinz versetzt wurde und seine Erfahrungen in einem satirischen Stil niederschrieb. In der Serie, die im Jahr 1917, also kurz vor der russischen Revolution ihren Anfang nimmt, begleiten wir den jungen Arzt Vladimir Bomgard (Daniel Radcliffe), der als bester Absolvent seines Studiengangs von Moskau in die tiefste Provinz versetzt wird, um dort die Stelle des kürzlich verstorbenen Landarztes zu übernehmen. Schnell wird klar, dass die theoretische Ausbildung und Bestnoten an der Universität nicht auf den schmutzigen Alltag eines Arztes zu dieser Zeit vorbereiten und der junge Bomgard völlig überfordert mit der harten Realität klarkommen muss – Ein ganz abenteuerliches Gerüst, welches mit der beginnenden Morphiumsucht Bomgards auch für eine gewisse Tragik sorgt.
Der Clou
Doch während dieses Konzept allein schon viel Raum für eine gute Umsetzung bietet, hat man sich nicht damit begnügt, sondern den Hauptprotagonisten doppelt besetzt. So wird auch der ältere Bomgard (Jon Hamm) gezeigt, welcher sein jüngeres Ich beständig begleitet und dessen Handlungen spitz kommentiert. Das klingt erst mal komisch, ist es besonders zu Beginn der Serie auch. Der junge Bomgard redet ganz selbstverständlich mit seinem älteren ich, welches nur von ihm selbst gesehen wird. Nach der ersten Folge gewöhnt man sich aber an diesen Umstand, der insgesamt ein paar interessante Ansätze und Dialoge bietet, die einen klaren Anteil an der Komik der Serie haben. Die Idee dahinter ist die, dass Bomgards älteres Ich nach Jahren auf dem Land vor den Trümmern seiner Existenz steht und nostalgisch in den Seiten seines Tagebuchs blättert. Wie schon erwähnt, ist dieser Ansatz recht innovativ und bietet Raum für viele skurrile Situationen, die ganz phantastische Dialoge zwischen dem alten und dem jungen Bomgard bietet, die mit viel schwarzem Humor gezeichnet sind.
Das Setting
Die Wahl des Settings ist ebenso frisch wie interessant – Ein kleines Krankenhaus irgendwo in der russischen Provinz, Stunden von der nächsten Stadt entfernt und vom Rest der Welt abgeschnitten. Das Personal bestehend aus 2 rigorosen Schwestern, einem Feldscher und dem jungen Arzt kümmert sich um die Leiden der Landbevölkerung im gesamten Umkreis – Syphilis, schwerste Verletzungen und andere Leiden der besonderen Art sorgen für teilweise Horror-Streifen würdige Szenen mit Ekel-Faktor – Dennoch verpackt mit viel schwarzem Humor und den schon erwähnten skurrilen Dialogen. Dabei ist nicht nur die doppelte Besetzung der Hauptfigur grandios, auch die Nebenrollen sind mehr als passend besetzt und schaffen ein überzeugendes Gesamtbild, welches die Serie zu einem echten Genuss macht. Wer auf dieser Art von Humor steht, wird in jeder Folge köstlich unterhalten.
Das Problem
Lediglich die Laufzeit der Mini-Serie ist ein wahres Problem, denn nach ca. 88 Minuten ist die erste der beiden Staffeln schon geschafft und auch Staffel 2 bietet nicht mehr Umfang. Dadurch erhält man zwar recht knackige Episoden, die durchweg überzeugen und keine langatmigen oder gar langweiligen Stellen aufweisen, dennoch ist man noch spätestens 2 Abenden mit einer Staffel fertig und fühlt sich danach, wie bei jeder guten Serie, ziemlich mies, weil es vorbei ist. Da hier der Umfang so gering ist, tritt dieser Effekt umso früher auf, was durch die Qualität der Serie noch verstärkt wird. Ich könnte Stunden mit den Erlebnissen des jungen Bomgard verbringen – Aber nach knapp 160 Minuten hat man eben schon alles gesehen.
Fazit
Es zeigt sich wie schon so oft: Daniel Radcliffe kann eben nicht nur Harry Potter und ist immer wieder Garant für interessante und kuriose Konzepte. Wie zu Beispiel auch in „Horns“ hat Radcliffe hier wieder ganz überzeugend gespielt und mich mal wieder beeindruckt – Der Typ hat echt was drauf und wird in meinen Augen maßlos unterschätzt. Wie schon erwähnt, ist auch die restliche Besetzung exzellent, was in Kombination mit dem Setting und dem Ansatz der doppelt besetzten Hauptfigur extrem gut funktioniert. Wer auf pechschwarzen Humor, schrecklich komische Situationen und intelligente Dialoge steht, sollte beherzt zugreifen und die Mini-Serie genießen – Ich freue mich schon, so bald wie möglich Staffel 2 zu genießen.
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