Das Werbe-Netzwerk ohne sozialen Aspekt?
Facebook ist schon lange weniger ein „soziales“ Netzwerk, als eine gigantische Werbeplattform, die dem Unternehmen um Zuckerberg Millionen und Milliarden in die Taschen spült. Das System dahinter selbst ist dabei recht einfach: Millionen Nutzer greifen Weltweit auf die Plattform zurück und tummeln sich auf dieser. Über die Jahre hat man dann Facebook so umgestellt, dass Nutzer weniger um sich und ihre engen Kontakte rotieren, als dass sie auf der Statusseite alle möglichen Inhalte konsumieren. Der Erfolg des System liegt hinter der natürlichen Entstehungsgeschichte, die man nach und nach kommerzialisiert hat. Denn im Internet ist die Kultur des „Schaffens“ und „Teilens“ nichts neues – Schon immer war der Austausch von Informationen über das Internet entscheidend, und während man in den Entstehungszeiten des Internets eher an eine Vernetzung von Wissenschaftlichen Instituten dachte, wird heute so gut wie alles geteilt und verbreitet. Lustige Katzen-Videos, Memes, Satire oder einfach Müll – Diverse Plattformen bieten nichts anderes als das an und lassen User durch gigantische von Usern geschaffene Archive klicken, die dann die kuriosesten Inhalte bieten. Und so ist das auch auf Facebook – Ich weiß noch, wie Facebook vor einigen Jahren in Deutschland populär wurde und deutsche Netzwerke wie Schueler.CC oder StudieVZ enorme Abwanderungen von Nutzern verkraften mussten. Facebook war neu, technisch auf einem aktuelleren Stand und bot eine einfachere Kommunikation. Damals war das ganze System auch noch viel mehr auf die Nutzer selbst zugeschnitten und dem Austausch zwischen diesen. Ein Freund postet ein neues Bild, wir werden vom System darauf aufmerksam gemacht und können kommentieren oder unserem „Gefallen“ mit einem „Daumen nach oben“ Ausdruck verleihen.
Seiten und Gruppen
Schnell kamen dann natürlich auch „Seiten“ auf, die in Netzwerken (auch in Deutschland) in Form von Gruppen schon eine lange Tradition hatten. Auch hier nichts neues: Einem bestimmtem Thema wird eine Seite gewidmet, man schafft eine kleine Plattform für Leute, die sich damit in irgendeiner Weise identifizieren können. Bei Schueler.CC waren Gruppen dann oft repräsentativ für die eigene Einstellung, da die Gruppen auf der eigenen Profilseite zu sehen waren. Auf der anderen Seite boten Gruppen auch Raum für „Fachgespräche“ von Interessierten eines bestimmten Themas. Jugendkulturen, Fangruppen und viele andere hatten hier Platz, Erfahrungen, Meinungen und Ideen zentral auszutauschen. Auch wenn man es kaum glaubt: Gruppen sind tatsächlich eine wichtige Komponente eines sozialen Netzwerkes und bilden kleine, engere Gemeinschaften. Die Kultur ist mit der eines klassischen Forums zu vergleichen, Das ist auch der Grund, warum zum Beispiel in StudieVZ und MeinVZ fast nur noch Leben in den verbliebenen Gruppen herrscht, welche sich vor allem dem Thema „Flirten“ und „Sex“ zugewandt haben. Nutzer beschreiben es wie eine „gigantische Zombie-Stadt“, in der man in „einigen Zonen zusammenkommt und die Apokalypse aussteht“.
Facebooks Informationsblasen
Auf Facebook sieht es anders aus, besonders heute. Die Funktion des Austauschs bieten auch hier noch klassische Gruppen, die dann meist „geschlossen“ und nur auf Anfrage zugänglich sind. In gewisser Weise vergleichbar mit Gruppen in allen sozialen Netzwerken. Doch den Löwenanteil nehmen Seiten an, die folgenden Nutzern mit bestimmten Inhalten versorgen. Lustige Bilder, Infos zur Lieblings-Serie oder Seiten von Firmen, die Ihre Produkte teilen. Die Seiten sind also so etwas wie Informationskanäle, die wir abonnieren können, um dann mehr oder minder von uns gefiltert mit bestimmten Inhalten konfrontiert zu werden. Doch leider funktioniert dieses System schon lange nicht mehr natürlich oder „organisch“, sondern ist stark von Facebook beeinflusst. So abonnieren Nutzer nach der „Gefällt mir“-Angabe einer Seite diese nicht mehr automatisch, sondern müssten dafür noch selbständig Einstellungen ändern – In Folge dessen erhalten wir nur noch Bruchteile der auf den von uns mit „Gefällt mir“-markierten Seiten. Gleiches gilt für Beiträge von Nutzern, die uns nur noch vereinzelt angezeigt werden. Die Idee dahinter ist einfach und in meinen Augen perfide: Wer möchte, dass seine Beiträge Nutzer auch erreichen, muss Geld an Facebook zahlen, damit eine „Vermittlung“ der Informationen zustanden kommt. Um sich dagegen zu wehren oder auch eingesetzte Gelder am besten nutzen zu können, haben Posts auf Facebook heute meist nur ein Ziel: Möglichst große virale Verbreitung zu erhalten. User sollen um jeden Preis „gefällt mir“ klicken, Teilen und kommentieren – Am besten alles auf einmal und dann noch Freunde markieren. Einige gehen dabei offensichtlich vor, andere weniger. Damit nimmt jedoch die Qualität der eigentlichen Inhalte enorm ab, da mir keine Vielfalt an Inhalten mehr geboten wird, sondern dass, was Facebook für mich an geeignetsten hält oder wo Geld investiert wurde, damit ich es sehe. Es entsteht eine „Informations-Blase“, die wir zum Teil selbst geschaffen haben, die aber auch um uns als User entstanden ist und uns von unabhängigen Informationskanälen abschottet.
Eine optimierte Werbeplattform
Unser gesamtes Verhalten auf Facebook wir analysiert und an das Werbesystem angepasst. Dadurch hat man ein enorm effektives Werbe-System, welches am Ende auch funktioniert. Leider auf Kosten der User und Nutzerrechte, als auch der Qualität der Netzwerkes. Von Sozial kann hier keine Rede mehr sein, viel mehr haben wir es mit einer maximal optimierten Werbeplattform zu tun, die uns zeigt, auf das wir vermutlich reagieren würden. Und ergänzend zur Ausbeutung von Facebook selbst, missbrauchen auf die Betreiber der meisten Seiten ihren „Einfluss“ in Form großer „User-Zahlen“ die den Beiträgen folgen, indem sie gegen Bezahlung bestimmte Inhalte zahlen. Auch hier ist das perfide, dass der User selbst nichts davon mitbekommt – Für ihn erscheinen dieses Posts als völlig „natürlich“ und werden nicht mit Werbung in Verbindung gebracht. Und jeder PRler weiß, dass die beste Werbung die ist, die niemand erkennt. Und so lange die Werbung uns tatsächlich interessiert und uns so irgendwo mundgerecht Informationen zugeschoben werden, die wir dann „leicht“ verdauen können, mag das ja noch in Ordnung klingen. Warum darüber aufregen, dass User nicht mit „zufälliger“ Werbung „überschüttet“ werden, sondern scheinbar genau das bekommen, was sie sowieso wollen?
Die Gefahr von unsichtbarer und falscher Werbung
Die Antwort ist zweiseitig: Zum einen sollte Werbung nie komplett unsichtbar sein. Das ist enorm gefährlich, da sich echte Informationen nicht mehr von „gekauften“ und damit manipulierbaren Informationen trennen lassen. Wenn unabhängige Medien auf Facebook keine Reichweiten mehr erzielen können, gewinnt der mit der größten Keule, dem meisten Geld. Und genau da liegt das Problem – Vielleicht mag ich ja Zombie-Spiele, aber wer sagt mir, dass dieses „neue Spiel“ auch wirklich gut ist, wenn ich nur gekaufte „Meldungen“ dazu sehe, die das Spiel loben. Jetzt kann man appellieren, dass man als User auch eine Eigenverantwortung zur persönlichen Informationsbeschaffung hat, doch wenn dieses System so maßgeblich von der Werbung unterlaufen wird, kann er das nicht mehr. Er kann nicht nachprüfen was Werbung ist und was nicht, weil das für ihn kaum zu unterscheiden ist. Ich bin seit einiger Zeit im Marketing-Bereich unterwegs und erkenne gekaufte Inhalte sehr genau – Doch jemand der einfach nur seine Status-Seite checkt wohl eher nicht. Und richtig gefährlich wird es dann, wenn Betrüger sich der viralen Kraft bediene wollen – Gefälschte Seiten, reine Werbeplattformen und anderes locken über Facebook. Auf der anderen Seite wird „Clickbait“ immer bedeutender, wo man Nutzer mit „irreführenden“ Überschriften oder Beschreibungen auf Seiten lockt. Man also „falsche Werbung“ mit falschen Infomrationen teilt, ohne dass das geprüft wird. Man manipuliert die Nutzer auf Basis ihrer Interessen.
Benutzerdefinierte Werbung
Und das macht Facebook als Marketing-Plattform so interessant, weil man schnell viele User erreicht, die man dann durch die Funktionen wie Teilen, Kommentieren und „Bewerten“ anregt die Inhalte weiter zu verbreiten. Im besten Falle wird die Geschichte zu einem Selbstläufer, verbreitet sich dann wie ein Lauffeuer und wird im gesamten Netz verbreitet. Der Traum einer jeden PR-Agentur und von jedem, der etwas im Netz verdienen will. Aber auch so kann man Facebook als Partner wählen, um gezielt eine sehr genau eingrenzbare Zielgruppe anzusprechen. Alter, Interessen usw. sind Kriterien, die man ganz genau angeben kann, wenn man eine Werbeaktion auf Facebook plant. Das ist natürlich nicht allein die Methode von Facebook – Google arbeitet ähnlich und auch Verkaufsplattformen wie Amazon oder Steam haben Systeme, die uns das zeigen, was wir vermutlich kaufen wollen oder was uns interessiert. Benutzerdefinierte Werbung ist eben das Kernkriterium heutiger Werbung, wobei das schon immer das Ziel war. Nur sind heute die Möglichkeiten viel umfangreicher. Vergleichen wir das kurz mit dem Fernsehen: Man achtet auf Zielgruppe der Sendung in der man Werbung schalten will, die sich wiederum am Inhalt der Sendung, der Sendezeit als auch dem Sender selbst orientiert. Man versucht also ein klares Bild der eigenen Konsumenten zu erhalten, um dann gezielt Werbespots zu zeigen. Zwischen einem Fußballspiel wird dann Werbung für Bier, Grillzeug oder Autos ausgestrahlt, während beim Kinderprogramm natürlich Spielzeug oder Videospiele im Vordergrund stehen. Hier hofft man, so viele von der Zielgruppe wie möglich zu erreichen, kann es aber nur zu einem gewissen Grad nachvollziehen, wie effektiv dies war bzw. ist. Bei Werbung im Netz geht es direkter und Facebook bietet eine optimale Plattform für solche Werbung. Der Nutzer ist in diesem System eine Ware, mit der man handelt.
Fazit
Und so effektiv das sein mag: Schöne ist diese Entwicklung nicht. Werbung muss ehrlich sein, so sollte auch ihre Verbreitung ohne Tricks auskommen. Das funktioniert auch und kluge Werbeaktionen werden von Usern gerne geteilt, weil es eben lustig und kurios ist. Doch das ändert wenig an denen, die die Möglichkeiten der Werbe-Systeme rund um Facebook, Google und YouTube ausnutzen, um in irgendeiner Weise Gewinne zu erzielen, meist auf Kosten der User. Und das ist auch bei Facebook das Problem: Die Plattform verliert mehr und mehr ihren Wert für Nutzer, auch wenn dieses das nur sehr langsam wahrnehmen. Es hat wenig mit einem sozialen Netzwerk zu tun, in welchem man sich mit Freunden austauscht. Viel mehr ist Facebook ein großer Kanal, über den wir gezielt Informationen erhalten, wobei wir immer weniger über die Herkunft dieser Informationen erfahren. Das Werbung auf einem sozialen Netzwerk eine Rollen spielt, ist nichts neues und nichts schlimmes, doch das Ausmaß auf Facebook ist schon enorm, sodass es für User einfach weniger interessant wird. Der Raum für neue Netzwerke ist gegeben, die die Rolle von Facebook einnehmen könnten, doch bisher hat sich Facebook souveräne behauptet. Leider nicht mit der Verbesserung der eigenen Plattform, sondern mit dem Aufkauf möglicher Konkurrenten. Das verschafft dem Giganten Aufschub, wird aber nichts daran ändern, dass Facebook nicht ewig so populär sein kann. In meinen Augen ist Facebook so zwar ein guter Raum für Marketing-Aktionen, verliert aber enorm an Bedeutung durch die Werbung selbst, die dort einfach einen zu großen Raum einnimmt. Ein Werbe-Netzwerk ja, das „sozial“ kann man getrost streichen, auch weil alle persönlichen Daten letztendlich für die Werbung genutzt werden.
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