Auf diversen offiziellen Screenshots von Gothic sehen wir Szenen, die nie so im Spiel zu sehen sind. Was hat es damit auf sich?
Vor einiger Zeit habe ich mir, vor allem aus nostalgischen Gründen, Gothic 1 auf Steam gegönnt (ja, ich hatte das Spiel auch so noch, aber ich wollte es halt noch in der Bibliothek haben) und stellte fest, dass die Screenshots auf der Store Seite auf Steam nicht ganz das zeigen, was man letztlich im Spiel finden wird. Wenn ich ehrlich bin, erinnerten mich die Bilder verdammt an den für Gothic 2 entwickelten Multiplayer Mod. Doch wieso sieht das alles so gar nicht na dem Gothic aus, welches wir am Ende erhielten und warum ist die eigentliche Spielfigur, der Namenlose Held, nie auf den Bildern zu sehen?
Zunächst muss gesagt werden: Die auf Steam gezeigten Screenshots sind in keinem Falle „neu“, sondern existieren noch aus den Jahren 2000 – 2001, als Gothic noch in der Entwicklung war. Die Screenshots sind zum Teil erste Bilder zum noch unveröffentlichten Rollenspiel, welche in der Fachpresse veröffentlicht wurden und zeigen sollten, was in Gothic auf den Spieler zukommt. Und so erklären sich auch so manche Ungereimtheiten, denn die Screenshots zeigen vor allem das, was die Piranha Bytes damals so für ihr Spiel erdacht hatten. Das viele dieser Ideen und Visionen nie im fertigen Spiel landen sollten, wusste damals wohl niemand. Heute zeigen sie uns Eindrücke aus einem Gothic, welches zwar nicht gänzlich anders gewesen wäre, als die Version, die wir heute kennen und lieben, aber doch grobe Unterschiede bereit gehalten hätte. Doch fangen wir langsam an und analysieren wir das Bildmaterial.
In der Gruppe unterwegs?
Auf diesem Bild sehen wir einen Gardisten, Milten und einen Guru, die sich unweit des Sumpflagers herumtreiben und scheinbar zusammen unterwegs sind. Die Rüstung des Gardisten ist nicht im markanten und uns bekannten rot gehalten, sondern ist eher metallisch aufgestellt. Damit wirkt die Rüstung in meinen Augen durchaus wuchtiger, was von der gewaltigen Axt untermalt wird. Hier wurde die von den Piranhas angedachte Klasse des „Kriegers“ dargestellt, der mit dem Spruch „Wer braucht schon einen Schlüssel, wenn man eine Axt hat?“ warb. Doch was machen Feuermagier Milten und der Guru mit diesem Krieger nahe des Sumpfes? Auch hier fällt die Antwort recht einfach aus: Damals war für Gothic ein lokaler Mehrspieler geplant, bei dem im Koop die Story gespielt werden konnte. Dieser war scheinbar sogar so weit entwickelt, dass erste erfolgreiche Tests durchgeführt wurden. Bei dieser Szene scheint sich genau dies abzuzeichnen: Genau so hätte man vermutlich tatsächlich durch das Tal der Gefangenen marschieren können, mit seinen Freunden. Milten und der Guru stehen dabei übrigens für zwei weitere Klassen: Dem Magier (Milten) und dem Psioniker (Gurur), welche auf verschiedene Magieformen hätten zurückgreifen können. Der klassische Magier hätte vernichtende Feuerzauber entsandt, während der Psioniker mit mentalen Attacken auf Gegner eingegangen wäre (Entwaffnung, Besitzergreifung). Alles sehr interessant und durchaus spannend, oder?
Irgendwie vertraut…
Beim nächsten Bild zeigt sich eine ähnliche Szene: Vier Helden stehen einem mächtigen Troll gegenüber. Alle Zeichen stehen auf Kampf: Der Namenlose Held ist nicht zu sehen. Der Grund liegt vermutlich darin, dass dieser lange Zeit so gar nicht im Spiel geplant war, sondern als „Notlösung“ herhalten musste, weil bei der Entwicklung einfach kein Passender Name gefunden werden konnte. Doch wer steht dem Troll da eigentlich gegenüber? Gothic Fans werden erkennen: Hierbei kann es sich nur um den Söldner Gorn, Feuermagier Milten, Sektenspinner Lester und Spitzohr Diego handeln. Hier haben wir (scheinbar) alle Freunde des Namenlosen Helden versammelt, doch nicht nur das, diese standen in der frühen Entwicklungsphase allesamt für mögliche Spielbare Klassen im Spiel, die auch im besagten lokalen Mehrspieler hätten genutzt werden können. Gorn der Krieger, Milten der Magier, Lester (ich vermute mal) als Psioniker und Diego der Dieb – Allesamt waren lang und breit angekündigt worden, fanden in dieser Form aber nie Zugang zum Spiel. Auch hier ein Unterschied bei der Rüstung des Schatten Diego: Die Kluft seiner „Gilde“ ist hier noch blau, statt dem typischen rot des Alten Lagers. Ich vermute, dass man sich für das rot entschied, um einen stärkeren Kontrast zum Neuen Lager zu bilden, die im späteren Spiel auch mehr blaue Elementen in ihren Rüstungen verarbeitet hatten.
Im Koop Modus in den Kampf!
Auch dieses Bild stützt noch mal die Mehrspieler Geschichte. Zu sehen sind einige Charaktere, die sich mit einer Armee Untoter prügeln. Im Spiel werden wir diese Situation so niemals vorfinden. Dennoch eine eigentlich fantastische Idee, die aber nie so veröffentlicht wurde. Der Grund waren wohl technische Probleme sowie die Frage der Umsetzung. Während es generell durchaus möglich war, mehrere Spieler in der Welt spielen zu lassen, war nie geklärt, wie das Quest System darauf hätte reagieren sollen. Wer hätte die Erfahrung bekommen? Was wäre bei Tot eines Mitspielers passiert und wie hätte man die umfangreiche Geschichte in dieser Form richtig erzählen können? Piranha Bytes gaben damals an, dass man bei dem Mehrspieler Konzept auf viel der angestrebten Atmosphäre und Missionen verzichten müssen. Das ganze wäre mehr wie ein heutiges MMORPG angelegt gewesen, doch genau das wollte man eigentlich ja nicht. Daher wurde der Mehrspieler Part verworfen und wurde von den Fischen nie mehr in Angriff genommen. Zum Glück hat die Community Jahre später für Ersatz gesorgt. Doch wann kommt endlich die Möglichkeit, die Story gemeinsam zu spielen, so wie es damals tatsächlich mal geplant war? Das wäre einer meiner letzten großen Kindheitsträume und ich warte voller Hoffnung.
Na mein kleiner Süßer? Zame Wölfe?!
Letztlich das Bild vom schwer gerüsteten Krieger und einem blutrünstigen Wolf lässt einige Fragen offen: Warum nähert sich der eigentlich höchst aggressive Wolf dem Krieger und was tut dieser da mit seiner Hand, die er der Bestie lockend entgegenstreckt? Die Antwort liegt in einem geplanten Feature für Gothic begraben, welches wie viele andere nie im fertigen Spiel integriert wurde. So sollten Tiere ähnlich wie Menschen nicht nur angreifen können, sondern auch Ängste und Vorlieben haben. Goblins sollten demnach vor einem stärkeren Gegner fliehen (findet sich zum Teil sogar, jedoch eher in der Tierwelt von Gothic 2, wo einige schwache Beutetiere vor Angreifern fliehen, nie aber vor Menschen) und ihn in eine Höhle zu einem Troll locken. Auf der anderen Seite sollte es möglich sein, einen Wolf mit einer Keule Fleisch zu besänftigen und sogar, wie auf dem Bild (vermutlich) dargestellt, anzulocken. Eine echt coole Idee, die zwar nicht tragend für das Spiel oder seine Atmosphäre gewesen wäre (daher flog es wohl auch aus dem Spiel), aber durchaus gut in die Welt passte und die Atmosphäre bereichert hätte. Schade – Doch ein wenig ist auch vom „anlocken“ übrig geblieben: So laufen Fleischfresser gerne zu Kadavern in der Nähe, um sich an diesen zu laben, und stellen dabei auch gerne mal die Verfolgung einer anderen Beute (bevorzugt dem Spieler) ein.
Fazit
Damit sind die gröbsten Dinge enthüllt und Ihr seit nun um einiges Wissen um Gothic bereichert. Ich selbst fand es recht spannend zu sehen, was die Piranha Bytes damals so alles mit ihrem Spiel vorhatten und was am Ende doch nicht realisiert wurde. Ob das nun gut oder eher schlecht ist, kann keiner sagen. Sicher ist jedoch, dass Gothic eines der besten Rollenspiele überhaupt ist und damit bei der Entwicklung nicht alt zu viel schief gelaufen sein kann. Ich hoffe das war jetzt nicht zu viel Hintergrundinformation für Euch, ich fand es wie gesagt recht spannend. 😉
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