In CorpoNation: The Sorting Process spielen wir einen Bürger in einem Staat in Konzernbesitz. Das Leben ist von Arbeit, Konsum und der Wirtschaft geprägt. Echte Freiheit existiert nicht, dafür dürfen verdiente Credits in staatlich legitimierten Stores und zugelassenen Videospielen ausgegeben werden.
Das Indie-Spiel lässt euch in eine dystopische Welt eintauchen, in welcher euer Konzern alles und ihr nur ein unbedeutendes Zahnrad seid. Selbstverständlich gibt man 110 Prozent, immerhin ist Ringo der beste Arbeitgeber der Welt! Was euch als Arbeiter in der CorpoNation erwartet, erfahrt ihr im Test!
Ringo – der beste Konzernstaat der Welt
Der Wecker klingelt, die Arbeit ruft! Schnell springen wir aus dem Bett und machen uns fertig, am ersten Tag möchte man doch glänzen! Von unserer Wohneinheit geht es direkt in den Fahrstuhl, der uns umgehend zu unserem zukünftigen Arbeitsplatz befördert: Dem Sortierzentrum für genetische Proben.
Wir sind neu hier und fangen ganz frisch an. Natürlich sind wir etwas aufgeregt, aber das freundliche Maskottchen von Ringo begrüßt uns auf dem Arbeitsterminal aufmunternd. Wir haben einen prestigeträchtigen Arbeitsplatz ergattert und können uns glücklich schätzen, eine so wundervolle Stelle zugewiesen bekommen zu haben.
Als Sortierer im Sektor Genom müssen wir Proben sortieren. Die genetischen Proben staffeln sich in Alpha, Beta, Delta und Zeta und wir müssen diese richtig zuordnen und in das entsprechende Röhrchen werfen. Im Arbeiterhandbuch werden uns die Kriterien für unsere Arbeit genauer erklärt und munter werfen wir die Proben in die jeweiligen Röhrchen.
Schon nach kürzester Eingewöhnung sortieren wir geschickt die Proben und freuen uns am Ende des Tages über die Bewertung unserer Leistung und die Bonuszahlung, für die fehlerlose Sortierung! Das Leben ist schön in der CorpoNation und Ringo der beste Arbeitgeber der Welt!
Nach der Schicht schlendern wir zum Fahrstuhl und sind wieder in unserem Zimmer. Ein Bett, eine Truhe, ein Plakat an der Wand, ein Schreibtisch, ein Stuhl und ein Computer. In unserem kleinen Paradies überbrücken wir die Stunden, an welchen wir nicht aktiv am Gelingen von Ringo teilnehmen können.
Bevor wir uns ins Bett legen, sollten wir einen Blick auf unseren Computer werfen. Hier können wir die aktuellen Konzernnachrichten lesen, unsere Rechnungen begleichen, staatlich genehmigte Spiele zocken und uns mit unseren zugeteilten Chat-Partnern austauschen. Wer Lust hat, kann an Umfragen teilnehmen und sich ein paar zusätzliche Credits verdienen.
Haben wir alles erledigt, legen wir uns zufrieden ins Bett, in der Gewissheit auch morgen wieder 110 Prozent beim Sortieren der wichtigen Gen-Proben zu geben.
Synthese – Staatsfeind Nummer eins
Doch die Fassade des Fehlerlosen Konzernstaats lässt schon frühzeitig erste Risse erkennen. Eine kriminelle Untergrundorganisation kapert Bildschirme, verschickt Mails und macht Stimmung gegen Ringo.
Die Gruppe nennt sich Synthese und beschwört den Widerstand gegen die CorpoNation. Natürlich bleibt Ringo nicht untätig und ruft alle Bürger dazu auf, verdächtige Mails und Ereignisse umgehend zu melden. Immerhin gefährden diese Chaoten die wirtschaftliche Stabilität und damit die Sicherheit aller Bürger.
Synthese stellt Fragen. Fragen, die Ringo nicht akzeptieren kann. Etwa ob der Job unsere Identität bildet, ob wir in einem Käfig leben oder ob vielleicht Alternativen zu diesem Leben existieren. Synthese wird immer wieder Kontakt zu uns aufnehmen und uns dazu animieren, dem Widerstand beizutreten.
Nach erster Skepsis rutschen wir so in die Position eines Widerstandkämpfers, der beginnt das System zu hinterfragen. Vorsichtig beginnen wir so, dem System von innen heraus zu schaden und unserem drögen Alltag ein wenig Abwechslung zu verleihen.
Gameplay – eine echte Arbeitssimulation
Das Gameplay von CorpoNation: The Sorting Process teilt sich grob in drei Sektoren auf: Das Sortieren der Proben, dem Verfolgen der Story und dem Spielen der staatlich genehmigter Games.
Die Sortierung bildet das spielerische Zentrum von CorpoNation. Während das Sortieren anfangs noch leicht fällt, steigen die Anforderungen beständig. Wir müssen auf immer mehr Faktoren achten, um die Proben richtig zu sortieren. Wer zu viele Fehler macht, bekommt nicht nur schlechte Bewertungen, sondern auch weniger Lohn ausgezahlt.
Tatsächlich erwächst das seichte Sortieren zu einer echten Arbeitssimulation. Ich muss gestehen, dass ich ab der Mitte des Spiels eher gestresst vom Sortieren, Verwerfen, Modifizieren, Splicen und Mischen der Proben war. Das Spiel hat es erfolgreich geschafft, eine lästige Arbeit zu simulieren. Das untermauert zwar die Atmosphäre im Spiel, bot mir aber insgesamt zu wenig, um spielerisch zu überzeugen.
Die Story wird vor allem über Texte vermittelt und baut sich nur Stückchenweise auf. Um zu verstehen, was passiert, sollten wir die News lesen, unsere Chats pflegen und neue Mails checken. Das heißt, dass wir einige Tage arbeiten, um dann neue Häppchen der eigentlichen Story zu erhalten.
Für etwas Abwechslung sorgen die beiden Minispiele, die wir nach der eigentlichen Arbeit auf unserem PC spielen können. Dabei handelt es sich um eine abgewandelte Version von Solitär und einem Pay2Win-Fighting-Game. Zwar überzeugt die Integration dieser Spiele innerhalb der dystopischen Welt vollständig, doch hätte ich mir hier wenigstens etwas spielerische Auflockerung gewünscht.
Zudem gibt es noch ein paar nervige Bugs, die den Gesamteindruck etwas trüben. Zum Beispiel musste ich das Spiel ein paar mal zurücksetzen, weil bestimmte Trigger für die Story nicht richtig ausgelöst wurden und es dann schlicht nicht weiterging. Zwar halten sich diese Fehler in Grenzen, lassen sich aber nicht ganz ausblenden.
Story – Viel ungenutztes Potenzial
Tatsächlich ist die Story von CorpoNation gelungen, schöpft aber nur einen Bruchteil des eigentlichen Potenzials aus. Zunächst ist das Tempo der Erzählung zu gemächlich. Das Verhältnis von spannenden Story-Fortschritten und der monotonen Arbeit stehen in einem Missverhältnis.
Das Spiel verliert sich in seiner eigenen dystopischen Monotonie, was anfangs noch ganz gut funktioniert, letztlich aber den Spielfluss ausbremst. Wer keinen Spaß am immer komplexer werdenden Sortierspiel hat, erhält kaum einen Ausgleich. Das mag die angestrebte Atmosphäre in der dystopischen Welt untermauern, durchbricht diese aber zu selten mit seiner eigentlichen Handlung.
Der rote Pfaden ist zu lose gespannt und bietet dem Spieler keine echte Interaktion. Wir können selbst kaum Einfluss auf den Verlauf der Story nehmen, die zugleich nur minimalistisch erzählt wird.
Zwar ist die Story gut erzählt, bleibt aber zu seicht und vorhersehbar. Echte Überraschungen bleiben aus, es fehlt an Highlights, Wendungen und echtem Biss. Immer wieder streift die Erzählung spannende Aspekte, aber verpasst es, diese spürbar zu vertiefen.
Das ist schade, denn das was erzählt wird, ist wirklich gelungen. Die dystopische Welt des Konzernstaats wird gut aufgebaut und wie ein Schwamm möchte man alle verfügbaren Informationen aufsaugen und Antworten auf die langsam aufkeimenden Fragezeichen finden.
Fazit – eine ambitionierte Gesellschaftskritik, aber zu wenig Spiel
Doch letztlich bietet CorpoNation zu wenig spielerische Möglichkeiten, die so spannend aufgebaute Welt zu erleben. Nachrichten, Chats und Postings lesen – viel mehr bleibt uns nicht. Erst gegen Ende des Spiels wird ein Hauch Abwechslung und Interaktion geboten, der jedoch zu kurz und spät kommt.
Der spielerische Fokus auf das integrierte Sortierspiel ist in meinen Augen zu hoch gewichtet. Das Vorbild Papers, Please bietet eine bessere Mischung von beißender Gesellschaftskritik, Entscheidungsfreiheit und Story. CorpoNation überzeugt im Worldbuilding, ruht sich dann aber auf dem Sortieren von Proben aus.
Ich liebe die geschaffene Welt und hätte so gerne mehr von dieser gesehen. Aber außer unserer Wohneinheit und dem Sortierplatz dürfen wir kaum etwas von Ringo erkunden. Da wir keine wirklichen Entscheidungen treffen können, fehlt es an spielerischer Tiefe. Die Story verliert an Schärfe, Wendungen hinterlassen nicht den gewünschten Eindruck.
Das Ende von CorpoNation habe ich nach knapp 10 Stunden erreicht. Zwar hat mir das Finale durchaus gefallen, aber der Weg dahin konnte mich allerdings nur stellenweise überzeugen. CorpoNation strotzt vor Potenzial, bietet am Ende aber zu wenig, um spielerisch zu überzeugen.
Dadurch ist CorpoNation: The Sorting Process ein kritischer Kommentar zum heutigen Konsumwahn, Raubtierkapitalismus und staatlicher Kontrolle, wird aber seiner Rolle als Videospiel einfach nicht gerecht. Es bleibt eine interaktive Geschichte, die insgesamt zu wenig Interaktion sowie Abwechslung bietet und ein unstimmiges Erzähltempo vorlegt.
Die wichtigsten Features im Überblick:
Preis: 13 Euro auf Steam
Gelungene Inszenierung
Anspruchsvolles Sortierspiel
Spannende Story
In deutscher Sprache verfügbar
unverbrauchter Retro-Stil
Umfang: 8-10 Stunden
Wer 110 Prozent für einen dystopischen Arbeitgeber geben möchte, sollte CorpoNation: The Sorting Process eine Chance geben. Die hier gezeichnete Welt gleicht einem schrecklichen Fiebertraum und schafft es zugleich treffsicher, auf aktuelle gesellschaftliche Missstände hinzuweisen.
Auch wenn das erzählerische Potenzial nicht gänzlich ausgeschöpft wird, sendet CorpoNation eine Botschaft aus, die tagesaktuell gehört und diskutiert werden sollte. Hier kann das Indie-Spiel glänzen. Wer neben einem lustigen kleinen Sortierspiel mehr Gameplay erwartet, wird jedoch enttäuscht werden. Denn auch wenn die Story gelungen ist, fehlt es an spielerischer Tiefe, um dem Medium Videospiel wirklich gerecht werden zu können.
Aber jetzt genug geredet! Zurück an die Arbeit! Arbeite hart!
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