eSport 2022 – immer noch kein Sport in Deutschland

Symbolbild: Gezeigt wird ein Screenshot aus dem Spiel Dota 2, welches eines der wichtigsten eSport-Titel ist. Auf dem Screenshot sieht man den Kampf verschiedener Helden, wobei ein Spieler zwei andere Spieler ausschaltet. Zu lesen ist unter anderem: „player xy got a double kill!“. Bildquelle: Valve, Dota 2

Bei eSport (oder auch E-Sport) handelt es sich um den „sportlichen“ Wettstreit mit Videospielen. Seit Jahren gewinnt der eSport an Popularität und erschließt sich Etappenweise neue Märkte und Marktanteile. Was vor etlichen Jahren nur in Asien, allen voran Südkorea vorstellbar war, nimmt in den letzten Jahren auch in Europa und den USA immer mehr Fahrt auf. Hallenfüllende Events (durch Corona natürlich nur bedingt), Live-Übertragungen und eine wachsende Struktur aus organisierten Vereinen, Teams und Sponsoren schaffen die Basis für einen eSport, der sich seinen Platz neben etablierten Sportarten erkämpfen könnte. Doch trotz steigender Bekanntheit und wachsender Umsatzprognosen hat der eSport, besonders in Deutschland, noch einen weiten Weg vor sich.

eSport ist kein Sport?

Tatsächlich ist ein nicht zu unterschätzendes Problem für den eSport der Kampf um die Anerkennung als „echte“ Sportart. Während in ersten, wenigen Ländern diese Klassifizierung bereits erlangt wurde (darunter Südkorea, USA, China, Brasilien oder Frankreich), entfällt in Deutschland die Einstufung als Sportart.

Damit wird es für Vereine recht kompliziert als Gemeinnützig anerkannt zu werden, was die Etablierung von organisierten eSport-Vereinen und Ligen enorm erschwert. Eine weitere Folge ist auch, dass in Deutschland nicht auf den Ausgang von eSport gewettet werden darf. Während lizenzierte Sportwetten Anbieter wie etwa Bildbet klassische Sportwetten anbieten dürfen, muss auf jegliche Angebote in Sachen eSport verzichtet werden – eben weil diese in Deutschland offiziell nicht als Sport anerkannt werden.

Die Einschätzung des DOSB

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) unterscheidet beispielsweise in der aktuellen Positionierung aus dem Jahr 2018 zwei grobe Formen des eSport:

  • elektronische Sportartensimulationen: In dieser Kategorie sollen alle Videospiele zusammengefasst werden, welche klassische Sportarten in die virtuelle Welt übertragen. Das umfasst also Titel wie FIFA (Fußball), Madden NFL (American-Football) oder NBA 2K (Basketball) – im Grunde „alle virtuellen Darstellungsformen von Sport, in den reale sportliche Bewegung integriert ist.“

  • eGaming: Mit diesem Begriff sollen wiederum alle anderen virtuellen Spiel- und Wettkampfsysteme zusammengefasst werden, die „Sport und Bewegung“ nicht zum Inhalt haben.

Dabei gibt der DOSB eine positive Prognose für die „elektronischen Sportsimulationen“, da man hier die Möglichkeit sieht, dass sich der Sport und die Vereine digital weiterentwickeln könnten. Man ermutigt sogar Vereine und Verbände dazu, konkrete Möglichkeiten zu prüfen, um an „dieser Form des eSports“ zu partizipieren.

Im klaren Gegensatz dazu sieht man aber das eGaming, welches man zwar als Bestandteil der „Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen“ anerkennt, diese aber explizit nicht als „anschlussfähig an die Vereine und Verbände des organisierten Sports“ sieht. Diese Ansicht begründet der DOSB mit zwei Kernaspekten, die für mich zum Teil eher wenig verständlich waren:

  • das Geschäftsmodell eSport: Der DOSB vertritt die Ansicht, dass im eSport „gewinnorientierte global agierende Unternehmen im Vordergrund“ stehen würden, was im Gegensatz zum „gemeinwohlorientierten Sport“ stehen würde, für welchen der DOSB einsteht.

  • Inhalt der Spiele: Als weitere, wichtige Entscheidungsgrundlage benennt man die in den Spielen dargestellten Inhalte und Themen. Dabei sei das Ziel vieler Spiele „die Vernichtung und Tötung des Gegners“, was zum Teil von der „deutliche sichtbaren und explizierten Darstellung des Tötens“ begleitet werden würde. Dies wäre mit den ethischen Werten des DOSB nicht vereinbar.

Inwieweit Sportarten wie Fußball nicht von gewinnorientierten, global agierenden Unternehmen dominiert werden, erschließt sich mir derweilen nicht wirklich. Und auch die Kritik am „Inhalt der Spiele“ ist zumindest insofern zu hinterfragen, als dass die Darstellung eines Videospiels oder das „Töten“ eines virtuellen Gegners im Grunde keinen ethischen Grundsätzen widersprechen dürfte, da dies im Rahmen eines virtuellen Spiels stattfindet – eine Grundsatzfrage, die wir in allen Formen von Medien schon zigfach ausgetragen haben und immer wieder austragen (zum Beispiel bei der Darstellung von Gewalt in Filmen oder die Thematisierung von Gewalt in Büchern).

Gleichzeitig ist es interessant, wie der DOSB „elektronische Sportsimulationen“ bewertet. Statt wie früher jegliche Formen von Videospielen auf Basis der fehlenden „sportartbestimmenden motorischen Aktivität“ als potenzielle Sportart abzulehnen, sieht man nun zum Teil die „Möglichkeiten der digitalen Weiterentwicklung“. In den Fokus rückt man nun die virtuelle Darstellung von sportlicher Bewegung – was ich durchaus hinterfragen würde.

Meine Einschätzung

Auf mich wirkt das nämlich eher wie eine Mogelpackung, in der man Videospiele eben nicht als eigene Form sieht, sondern lediglich als potenziellen Greifarm für etablierte Institutionen und Verbänden, um digitale Märkte zu monopolisieren. Statt also Games und ihre Wettkampfformen zu betrachten, zieht man vor allem Spiele in Betracht, die die bereits existierende Sportarten in virtueller Form transferieren. Sicherlich ist das ein Bestandteil eines gesamtheitlichen eSports, diesen Bestandteil aber nun abzutrennen und den „Rest“ der Bandbreite abzulehnen, ist in meinen Augen zu kurz gedacht. Man verschließt sich vor der thematischen Vielfalt und dem Potenzial von Videospielen im sportlichen Kontext.

Dennoch ist es ein erster, kleiner Schritt in eine richtige Richtung – statt wie früher eine grundsätzliche Ablehnung in den Vordergrund zu stellen, wird nun zumindest einem Teilaspekt des eSports eine Chance auf Anerkennung in Aussicht gestellt. Dennoch muss man festhalten, dass dadurch zahlreiche relevante eSport-Spiele wie etwa League of Legends, Dota 2 oder Counter-Strike für den DOSB wohl in den Bereich des „eGaming“ fallen und entsprechend nicht als „Anschlussfähig“ erachtet – eine Einstufung dieser Spiele als Sport in Deutschland steht also auch im Jahr 2022 vermutlich noch in weiter Ferne, was wirklich schade ist.

Johann von Ti
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