Gothic Remake – kann das überhaupt gut werden?

Symbolbild aus einem Screenshot des Gothic Remakes. Zu sehen ist eine Szenerie im Alten Lager. Gefangene sitzen am Feuer und Braten einen Scavenger. Im Vordergrund ist ein Mitglied des Sumfplagers, der Sumpfkraut raucht und zwei stilisierte Fragezeichen.

Es ist schon ein Weilchen her, seitdem wir zuletzt vom Gothic Remake hörten. Mit dem neuen Trailer zum Alten Lager meldete sich Alkimia Interactive endlich zurück und verkündet eine zentrale Botschaft an die Fans: Wir wissen, was ihr wollt!

Im Rahmen des Showcase-Events von THQ Nordic zeigt Entwickler Alkimia Interactive einen neuen Trailer zum Gothic Remake. Leider bekamen wir kein Gameplay zu sehen, dafür das Alte Lager und einen Eindruck, wohin die Reise mit dem Remake gehen soll.

Ein Trailer mit klarer Botschaft

Viel mehr als einen Eindruck vermittelt der Trailer auch nicht. Wir sehen das Alte Lager, wie Gothic Veteranen es eben kennen. Launige Gefangene, heruntergekommene Bretterbuden und natürlich auch volles Fund aufs Maul. Also alles wie gehabt, könnte man meinen.

Tatsächlich ist der kurze Trailer vollgepackt mit Details, die Fans versichern sollen, dass man mit dem Remake auf dem richtigen Weg ist. Im Hintergrund hören wir markige Sprüche, das Eindringen in fremde Hütten wird nicht gerne gesehen, ein Scavenger wird am Spieß gebraten und sogar ein Sektenspinner raucht genüsslich sein Sumpfkraut.

Der erste Eindruck ist für mich als Gothic-Fan zunächst beruhigend. Der Kurs des Remakes scheint tatsächlich zu stimmen. Das Lager wirkt stimmig und eben genauso, wie wir es kennen. Das ist in diesem Zusammenhang etwas Gutes.

Wirklich gut gefallen hat mir die Inszenierung der Arena. Die war im Original ein wenig leblos, wird im Trailer aber direkt mit einem feurigen Feuer-Waran-Kampf befeuert. Auch sonst wirkt die Atmosphäre ruppig. Streitigkeiten werden mit den Fäusten gelöst, die Versorgung ist notdürftig und der Protagonist des Trailers bekommt für seine Dieberei am Ende die Quittung – cool!

 

Das versprüht alles irgendwie schon den Charme, den wir kennen, lieben und seit so vielen Jahren vermissen. Und doch bleibt die Frage: Reicht das, um den Funken überspringen und das alte Gothic-Feuer erneut auflodern zu lassen?

Warum sehen wir kein Gameplay?

Denn obwohl ich die Botschaft verstehe und erkenne, dass der Kurs zu stimmen scheint, frage ich mich, warum es nicht mehr gibt.

Wirklich kein Gameplay? Diese Frage stellte sich mir am Ende des Trailers. Besonders nachdem man mit dem Playable-Teaser für einen echten Paukenschlag sorgte, wirkt die Außengestaltung bislang fast ein wenig Matt. Wir haben nun einen Einblick in die Alte Mine und jetzt das Alte Lager erhalten – viel mehr aber auch leider noch nicht.

Diese Einblicke sind gut, versteht mich nicht falsch, aber doch lässt es die Skepsis in mir aufschreien. Diese Stimme, die Gothic-Fans vermutlich kennen und die immer wieder betont, dass man ein Rollenspiel wie Gothic und Gothic 2 nie wieder spielen können wird.

Das hat drei zentrale Gründe:

  • Die Atmosphäre eines Gothic kann man nicht Kopieren.

  • Das Gameplay eines Gothic kann man nicht leicht erneuern.

  • Die Ansprüche an Videospiele haben sich geändert.

Warum ist es so schwer, die Gothic-Formel neu aufzusetzen?

Die Atmosphäre eines Gothic kann man nicht Kopieren

Gothic 1 hat für viele Fans eine ganz besondere Atmosphäre geboten, die bis heute selten in Videospielen erreicht wird. Das Szenario, in einer Kolonie von Sträflingen zu landen und zunächst völlig auf sich gestellt, diese raue und harte Welt zu erleben; das war und ist in dieser Form etwas Besonderes.

Das Stichwort Atmosphäre ist in meinen Augen ein zweischneidiges Schwert. Denn für viele Videospieler bildet die Atmosphäre einen wichtigen Aspekt, wenn es um ihre liebsten Games geht. Doch zugleich ist die Atmosphäre eines Videospiels schwer zu fassen und ein extrem individuelles Empfinden.

Nostalgie, persönliche Präferenzen, eigene Erfahrungen und selbst der Zufall spielen für die wahrgenommene oder zugeschriebene Atmosphäre eines Spiels eine nicht zu unterschätzende Rolle – ganz unabhängig der eigentlichen Basis, die das Spiel selbst bietet.

Screenshot aus Gothic 1. Zu sehen ist die Arena des Alten Lagers. Im Hintergrund sind Hütten und Schürfer zu sehen.

Schon in Gothic 1 gab es die Arena, auch wenn dort noch kein Feuer-Waran einen Buddler verbrannte.

Dennoch hat Gothic, ob nun bewusst oder unbewusst, zahlreiche Design-Entscheidungen getroffen, die Spielern ein Abtauchen in diese Welt des Erzes, der Minen und der Gewalt leicht machten. Du wirst als Spieler tatsächlich in diese Welt geworfen und musst selbst zu sehen, dass Du Deinen Platz findest.

Mich hat das damals als Kind stark beeindruckt. Dass Dich das Spiel nicht nur nicht an die Hand nimmt, sondern von Dir verlangt, Dich mit der Welt zu beschäftigen, sie zu erkunden und zu erleben – das funktioniert in Gothic hervorragend und lässt uns als Spieler fast schon organisch Bestandteil der Welt werden.

Jedoch kann man diese Atmosphäre nicht einfach kopieren. Es reicht nicht eine ähnliche Welt zu erstellen, eine ähnliche Story aufzusetzen und das grundlegende Gameplay zu bieten. Das haben die Piranha Bytes in den letzten Jahren selbst bewiesen, wenn sie mit ihren neuen Reihen immer wieder auf die Gothic-Formel zurückgriffen, aber nie wieder ein solches Meisterwerk erschaffen konnten.

Und jetzt muss sich das Gothic Remake dieser gewaltigen Herausforderung stellen. Die Atmosphäre eines alten Spiels neu zu erfassen, ohne dabei den eigentlichen Kern auszuhöhlen. Neue Systeme zu etablieren, ohne dabei die Seele des Originals zu verdecken. Die Welt darzustellen, wie wir sie uns damals in unseren Köpfen vorgestellt haben.

Das Gameplay eines Gothic kann man nicht leicht erneuern

Und damit wären wir beim nächsten wichtigen Aspekt: Das Gameplay. Gothic war nie ein Vorreiter, wenn es um nutzerfreundliche Bedienung ging.

Natürlich haben wir Veteranen uns längst an die Steuerung gewöhnt und für viele ist sie in Fleisch und Blut übergegangen. Dennoch kann ich mich lebhaft erinnern, wie ich vor vielen Jahren mit der Steuerung durchaus meine Startschwierigkeiten hatte.

Dafür ist Gothic in seinen Systemen nie hochkomplex oder gar kompliziert gewesen. Du tötest Monster, erledigst Quests und steigst eine Stufe auf. Mit dem Aufstieg erhältst Du Lernpunkte, die bei entsprechenden Lehrern für die Verbesserung Deiner Attribute genutzt werden können.

Das ganze System war übersichtlich und richtet sich nach nur wenigen Werten. Dafür war man als Spieler auch hier frei. Natürlich hatten Deine Werte, Waffe und Rüstung großen Einfluss auf Deine Möglichkeiten, aber es war auch immer mit dem spielerischen Können verwoben.

Wie gut schätze ich die Angriffe eines Scavengers ab, um ihn zu treffen und Treffer zu vermeiden? Wie präzise blocke ich feindliche Schwerthiebe, um dann selbst zuzuhauen? Wie kann ich Spruchrollen nutzen, um eine besonders schwierige Situation zu meistern?

Gothic ließ diese Freiheiten und bot dem Spieler die Möglichkeit, mit den gegebenen Mitteln selbst noch Lösungen zu suchen. Dadurch wurde, trotz der aus heutiger Sicht optischen und spielerischen Einbußen, ein enorm immersives Gameplay geschaffen.

Die Kür ist nun, dieses immersive und zugleich offene Gameplay zu modernisieren. Auf einen aktuellen Stand zu heben, ohne es zu stark zu verändern. Denn natürlich sollen neue Spieler angesprochen werden und auch wir alten Haudegen wünschen uns durchaus Verbesserungen, da bin ich mir sicher.

Denn sind wir ehrlich: Wenn wir Gothic spielen wollen … nun, dann spielen wir Gothic! Ich selbst starte fast jedes Jahr meinen Gothic 2 Run und auch ein Ausflug unter die magische Kuppel ist keine Seltenheit.

Ich wünsche mir für das Remake also Verbesserungen. Neue Gameplay-Ansätze, die im besten Falle das bedienen, was damals angedeutet, aber nie realisiert werden konnte. Es wird ein schwieriger Spagat zwischen Erneuern, erweitern und bewahren – aber ich wünsche mir, dass es gelingt.

Die Ansprüche an Videospiele haben sich geändert

Letztlich sind es auch die Ansprüche an ein Rollenspiel, auch an ein Gothic, die sich seit dem Release des Originals 2001 geändert haben. Die Welt hat sich verändert, Videospiele haben sich verändert und selbst wir alten Säcke, die wir Gothic lieben, haben uns verändert.

Alkimia Interactive müssen diese neuen Ansprüche abgleichen und behutsam in das Remake gießen. Denn auch wenn sich vieles geändert hat, so will ich in meinem Gothic am Ende auch die Welt, die Charaktere und die Atmosphäre wiedererkennen können.

Es wäre fatal, einfach nur die Welt nachzubauen und zu hoffen, dass der Nostalgiefunke die Fan-Feuer schon entzünden möge. Zugleich dürfen sie nicht einfach eine neue Welt kreieren, die zwar den Namen trägt, diesem aber nicht gerecht wird.

Screenshot aus dem Gothic Remake. Zu sehen ist die Arena des Alten Lagers. Die Arena ist im Vergleich zum Original deutlich größer und hat mehr Details.

Im Remake ist die Arena ordentlich ausgebaut. Im Trailer sehen wir sogar einen ungleichen Kampf zwischen Feuer-Waran und Buddler, was den Funken der Hoffnung in mir weckte.

Doch reicht es natürlich nicht, eine Bande alter Orkschlächter abzuholen. Das Remake muss, allein aus wirtschaftlicher Perspektive, auch neue Zielgruppen erreichen. Und das kann nur gelingen, wenn ein sinnvoll modernisiertes Gothic geboten wird, welches neue Spieler erreicht und abholen kann.

Der Playable-Teaser war zu wenig Gothic, die letzten Trailer versprechen nun mehr. Ob es wirklich gelingen kann, die Seele eines über 20 Jahre alten Rollenspiels neu aufzusetzen und dabei die geradezu unstillbaren Erwartungen der Fans zu erfüllen und zugleich neue Spieler anzuziehen, bleibt offen.

Hoffnungsträger Kai Rosenkranz

Zum Glück scheint das Unterfangen nicht unmöglich zu sein. Die Wandlung vom Eindruck des Playable-Teasers bis zu den Trailern ist wahrnehmbar. Es lässt die Hoffnung keimen, dass das Remake tatsächlich gelingen kann.

Wirklich erfreulich ist dabei die Tatsache, dass mit Kai Rosenkranz eine zentrale Figur der Originale mit an Bord ist! Kai Rosenkranz hat als Hauptkomponist der Gothic-Reihe wesentlich zur geballten Atmosphäre der Rollenspiele beigetragen.

Auch war er als Tongestalter tätig, kümmerte sich um visuelle Effekte, kreierte Entwickler-Tools und war der Community-Manager der Gothic-Spiele.

Damit ist er vermutlich die ultimative Wahl, um die Entwicklung des Remakes zu begleiten und als Komponist die passende, musikalische Untermalung zu liefern.

Tatsächlich habe ich große Hoffnung, dass Rosenkranz als „Bewahrer“ die Seele des Originals nicht nur schützen, sondern vielleicht sogar neu zum strahlen bringen kann. Wenn nicht er, wer dann?

Ich möchte, dass das Remake gelingt

Die Herausforderung, vor der Alkimia Interactive steht, ist gewaltig. Der Spagat zwischen alt und neu ist groß, der Balanceakt gewagt.

Auch lastet eine gewisse Verantwortung auf den Schultern der Beteiligten. Denn wenn das Remake scheitert, dann wird es auch die Marke Gothic mit sich reißen.

Denn natürlich bleiben Fans, die heute noch fleißig auf World of Gothic surfen und die neuste Mod laden, erhalten – aber, sollten die Feuer nicht neu entfacht werden und neue Spieler für diese fantastische Welt begeistert werden, wird Gothic zunehmend ein Schattendasein fristen.

Damit das nicht passiert, muss das Remake das Gothic schaffen, dass wir damals erlebt haben. Dass das gelingen könnte, zeigt mir die Arena-Szene des Trailers vom Alten Lager.

Die Arena wird im Remake zu dem stilisiert, was wir uns damals vorgestellt haben. Ein belebter Kampfplatz, in dem brachiale Kämpfe auf Leben und Tod zur Unterhaltung der geschundenen und abgestumpften Masse zelebriert werden.

Wenn das Remake diesem Pfad folgen kann, auf breiter Front, könnte es tatsächlich gelingen. Natürlich soll der Trailer uns dieses Versprechen geben und zeigt eben noch nicht, wie das Gameplay am Ende tatsächlich aussehen wird.

Dennoch dürfen wird zumindest hoffen, dass das Remake das bietet, was sich viele von uns sehnlichst wünschen und wir ein Gothic vielleicht endlich wieder „zum ersten mal“ erleben können. Aber jetzt ist genug: Lasst uns Wildschweine jagen!

Was denkt ihr: Kann ein Gothic Remake überhaupt gelingen? Oder sind die Erwartungen der Fans zu hoch? Ist Alkimia Interactive auf dem richtigen Kurs und haben sie mit Kai Rosenkranz den richtigen Mann an ihrer Seite, um den Traum eines guten Gothic Remakes wahr werden zu lassen? Ich bin gespannt, eure Meinung zu lesen!

Johann von Ti
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